Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

Adolf Hiremy-Hirschl Die Seelen am Acheron, 1889 Öl auf Leinwand 215 x 340 cm © Belvedere, Wien
Die Schau "Dekadenz" zeigt die Kunst des Symbolismus – eine visuelle Begleitung zum Wagner-Jahr.

Falls es sich noch nicht herumgesprochen hat: Die Frage „Möchte ich dieses Bild in meinem Wohnzimmer hängen haben?“ ist kein Kriterium aufgeklärter Kunstbetrachtung. Wobei Verwandte der teils unfassbar schwülstigen, teils an New-Age-Esoterik gemahnenden Bilder, die nun in der Schau „Dekadenz“ im Unteren Belvedere versammelt sind, womöglich gar nicht so wenige Wohnzimmer schmücken.

Es soll hier aber nicht um Geschmacksfragen gehen: Denn die Epoche des Symbolismus, die diese Ausstellung in großer Breite ausleuchtet, ist als Zeitphänomen äußerst interessant und war für das Kunst- und Geistesleben an der Kippe vom 19. zum 20. Jahrhundert außergewöhnlich einflussreich.

Bilder der Ausstellung

Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

© Sammlung Schmutz, Wien
Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

© Belvedere, Wien
Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

© Sammlung Schmutz, Wien
Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

© Belvedere, Wien
Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

© Belvedere, Wien
Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

Gustav Klimt Ein Blumenfest, 1896 (Kalenderblat…
Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

Karl Wilhelm Diefenbach Ex oriente lux, 1911 …
Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

Eduard Veith Die Königstochter, vor 1902 Öl…
Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

Karl Mediz Roter Engel, 1902 Öl auf Leinwand…
Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere

Adolf Hiremy-Hirschl Die Seelen am Acheron, 188…

Ein Blick nach innen

Die Bilder, die der „objektiven“ Weltbetrachtung des Naturalismus einen radikalen Blick ins Innere gegenüberstellten, entstanden im Paarlauf mit der literarischen Bewegung der „Décadence“. Die Begeisterung für den Zerfall (von Werten und Kategorien ebenso wie von Materialien und Körpern) und die Empfänglichkeit für rauschhafte ästhetische Empfindungen war dieser Strömung eigen, ebenso die Hinwendung zu selbst geschaffenen Parallelwelten und zu Kulturen abseits des klassischen Kanons: Die Décadents seien „nicht umsonst Wagnerianer“, bemerkte der Schriftsteller Hermann Bahr anno 1894 .

Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere
Karl Mediz: Roter Engel, 1902 Öl auf Leinwand 172 x 185,5 cm
Die Belvedere-Schau belässt es allerdings nicht dabei, die schwelgerische Bildwelt jener Zeit an die Museumswände zu bringen: Werke von Schiele und Kokoschka sind in der Schau neben Edvard Munchs Doppelporträt „Paul Hermann und Paul Contard“ (1897) vertreten, Klimts „Judith“ hängt neben einer anderen femme fatale, der „Sünde“ des Franz von Stuck.

Wer gelernt hat, die Kunstgeschichte durch die nüchterne Brille der Moderne zu sehen, vergisst leicht, wie eng verwoben all diese Kunst im fin de siècle war: In den Ausstellungen der Secession spielten Symbolisten stets eine bedeutende Rolle, und nicht zuletzt Schiele bediente sich bei der Entwicklung seiner Bildideen gern esoterischer Vorstellungen.

Finde die Sphinx!

Schwulst als Wegbereiter der Moderne: Kunst des Symbolismus im Belvedere
Franz Metzner Sphinx des Lebens, 1898 Porzellan mit Laufglasur Höhe 37 cm © Bröhan-Museum, Berlin Foto: Martin Adam, Berlin
Da Individualität in dieser Kunst mehr zählte als klare Stilkriterien, ist in der Schau oft schwer zu definieren, was denn nun ein „symbolistisches Bild“ ausmacht. Im Zweifelsfall sucht man nach der Sphinx: Als Sinnbild rätselhaften Wissens und rätselhafter Weiblichkeit – und als Vertreterin einer verschütteten Kultur – ist sie sozusagen das Wappentier der Symbolisten und taucht in den Bildern auffallend oft auf.

Die große Frage, der sich viele Symbolisten gegenüber sahen, war: Was ist der nächste Schritt? Ein Karl Wilhelm Diefenbach wurde zum Lebensreformer und Guru, ein Gustav Klimt zum Wegweiser der Moderne. Zum Verständnis der Hoffnungen und Unsicherheiten, die sich an der Weggabelung jener Zeit boten, leistet die Belvedere-Schau eine wichtige und anregende Hilfestellung.

Die Schau: "Dekadenz – Positionen des österreichischen Symbolismus“ ist bis 13. Oktober im Unteren Belvedere zu sehen. Die rund 120 Werke, davon rund 40 aus der Belvedere-Sammlung, zeigen nicht nur österreichische Vertreter der Kunstrichtung, sondern auch solche, die in Österreich einflussreich waren, etwa den Belgier Fernand Khnopff.

Katalog: Herausgegeben von Agnes Husslein-Arco & Alfred Weidinger, 312 Seiten, 39 €

Öffnungszeiten & Führungen: Täglich 10–18 Uhr, Mittwoch 10–21 Uhr. Überblicksführungen jeden Samstag/Sonntag/Feiertag, 15 Uhr, Kosten 4 € zzgl. Eintritt (regulär 11 €). www.belvedere.at

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