Schulleiterin nach Ballett-Skandal: "Haben zu spät reagiert"

Schulleiterin nach Ballett-Skandal: "Haben zu spät reagiert"
Staatsoperndirektor Dominique Meyer: "Die ganze Sache trifft mich sehr." Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen ein.

In voller Personenstärke haben am Mittwoch die Spitzen von Wiener Staatsoper und Bundestheater-Holding Stellung zu den via „Falter“ bekannt gewordenen Missständen in der Ballettakademie des Hauses genommen. „Wir haben zu spät reagiert, zu lange gewartet“, zeigte sich Simona Noja, geschäftsführende Direktorin der Ballettakademie, zur Frage der Entlassung der betreffenden Lehrerin selbstkritisch.

Die Staatsopern-Spitze tritt an um sich Asche auf's Haupt zu streuen

Mittlerweile hat das Opernhaus selbst eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien geschickt. Diese langte am Mittwoch bei der Behörde ein, die Ermittlungen wurden eingeleitet, sagte die Sprecherin der Anklagebehörde, Caroline Pestal-Czedik-Eysenberg, der APA. Zunächst werde wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses und sexueller Belästigung ermittelt. Es muss aber noch geprüft werden, ob dies ausgeweitet wird, beispielsweise auf Körperverletzung. Noch stehe man ganz am Anfang der Ermittlungen, sagte Pestal-Czedik-Eysenberg.

Die Lehrerin habe aber eben auch sehr gute Arbeit gemacht und viele Schüler gehabt, die gut über sie sprächen. „Bei mir ist immer die Tür offen“, unterstrich Noja, die seit Mitte März die ehemalige Klasse der entlassenen Lehrerin selbst unterrichtet, ihr Interesse an Aufklärung in dieser Causa. „Die ganze Sache trifft mich sehr“, stellte Staatsoperndirektor Dominique Meyer klar: „Es sind Dinge geschehen, die inakzeptabel sind. Wir wollen eine lückenlose Aufklärung von allem“, unterstrich Meyer zugleich, der auf zahlreiche getroffene Maßnahmen verwies.

Er sehe drei Hauptprobleme in der Causa: „Eine Gruppe von Studierenden wurde schlecht behandelt von einer Lehrerin.“ Es handle sich um die 8. Klasse der Mädchen, die also zwischen 17 und 18 Jahren alt seien. Die betroffene Lehrerin sei zunächst mündlich und nach der erneuten Verschlechterung des Verhaltens schriftlich verwarnt und schließlich entlassen worden. „Ich stelle mir die Frage, ob ich das nicht hätte früher machen sollen“, so Meyer: „Das sind Sachen, die vor 30 oder 40 Jahren wahrscheinlich Standard waren. In der heutigen Zeit ist das ein No-Go.“ Er sei jedenfalls wütend auf die Lehrerin: „Ihr Benehmen wirft einen Schleier auf meine Arbeit hier im Bereich des Balletts.“

Lehrer dienstfreigestellt

Als zweiten Punkt gibt es den Vorwurf der sexuellen Belästigung eines Schülers durch einen Lehrer, die vor sechs Jahren geschehen sein soll. Hiervon habe man vor der „Falter“-Recherche keine Kenntnis gehabt, so Meyer. Man habe den Lehrer - der die Vorwürfe abstreitet - sofort dienst freigestellt. Zumindest habe der Lehrer bestätigt, dass man sich privat getroffen habe. „Ich finde es nicht akzeptabel, dass Lehrer die Schüler in ihrer eigenen Wohnung empfangen“, machte Meyer deutlich. Man habe eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft geschickt: „Nun ist die Justiz am Zug.“

Zugleich gelte aber auch: „Ich will die Lehrer nicht unter Generalverdacht stellen, weil zwei von ihnen Fehler gemacht haben.“ Er sei gegen überstürzte Personalentscheidungen. „Ich weiß, dass man gerne Köpfe rollen sehen will.Aber wir wollen die Dinge bearbeiten und uns auf Fakten beziehen“, betonte Meyer. Klar sei: „Wir haben die Pflicht, die Schüler zu schützen. Ich akzeptiere nicht, dass Kinder in dieser Schule leiden müssen.“

Erarbeitung eines Kinderschutzkonzepts

Als dritter Punkt in diesem Zusammenhang gehe es um die Frage der Ernährung und des Körperbildes, das den Kindern vermittelt werde. Die sei eine schwierige Frage. Als Reaktion werde es nun sowohl für die Lehrer wie die Schüler obligatorische Schulungen in Ernährungskunde geben. „Wir arbeiten seit Monaten sehr gut und offen mit der Jugendanwaltschaft an einem Kinderschutzkonzept“, umriss Meyer weitere Maßnahmen. Ab Ostern wird deshalb eine Psychologin für die Kinder zur Verfügung stehen. Überdies gebe es bereits als Ombudsstelle die Möglichkeit einer anonymen Hotline, die man mit dem Verein „Möwe“ initiiert habe.

Lob für das transparente und sachliche Vorgehen kam von Bundestheater-Holdingchef Christian Kircher. Er habe von den konkreten Vorwürfe in der Vorwoche erfahren: „Der Sachverhalt passt nicht zum Ansehen einer Institution mit Weltruf.“ Er untermauerte sein Credo in dieser Frage: „Null Toleranz.“ Das gelte für alle Häuser der Holding: „Wir sagen oft, die Bundestheater-Holding ist der größte Theaterkonzern der Welt. Es ist noch ein großer Schritt dahin, dass es auch der modernste und beste wird.“ Zur durch Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) angekündigten Sonderkommission könne er derzeit noch nicht viel sagen, habe er doch heute sein erstes Gespräch im Ministerium. Er nehme die Verantwortung und das damit verbundene Vertrauen aber ernst: „Ich danke dem Minister, dass er die Holding damit beauftragt hat.“

Weitere Probleme

Weitere Probleme mit der Ballettakademie der Wiener Staatsoper ortet man in der Wiener Bildungsdirektion (vormals Stadtschulrat). Abseits von Drill- und Missbrauchsvorwürfen seien Kinder bei mangelndem Erfolg etwa von der Partnerschule abgemeldet worden, hieß es auf APA-Anfrage. Außerdem habe man wegen der Verwendung der Kinder für Aufführungen das Arbeitsinspektorat eingeschaltet.

Mit den Ausbildungsmethoden der Ballettakademie habe dies nichts zu tun, betonte man in der Wiener Schulbehörde. Diese Vorgänge hätten nicht an der Partnerschule in der Boerhaavegasse stattgefunden, die Akademie selbst gelte nicht als Schule. Allerdings seien häufig Kinder, die an der Akademie nicht gut genug gewesen seien, von der Partnerschule abgemeldet worden. "Uns schien der Umgang mit den Schülern nicht korrekt. So geht man nicht mit Kindern um." Auf diese Weise könne die weitere Schullaufbahn gefährdet werden.

Nachdem die Kooperation mit dem Gymnasium als Schulversuch organisiert ist (unter anderem ist "Ballettkunde" ein Schularbeitsfach, in dem später auch mündlich maturiert werden kann), habe man beim Bildungsministerium angeregt, dessen Verlängerung zu überprüfen. Weiters habe man das Arbeitsinspektorat eingeschaltet, weil Kinder über den Ausbildungsteil hinaus bei Aufführungen eingesetzt worden seien.

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