Galerienviertel, die nächste Generation: Wiens Schleifmühlgasse erneuert sich

Galerienviertel, die nächste Generation: Wiens Schleifmühlgasse erneuert sich
Der Kunst-Hotspot hat einige Umbildungen hinter sich. Das Zusammenspiel von jungen und etablierten Playern soll den Charakter erhalten

Wer in Wien aktuelle zeitgenössische Kunst sehen will, geht in die Schleifmühlgasse: Die Aneinanderreihung von renommierten Galerien, in unmittelbarer Nähe des Naschmarkts, der Secession, der Kunsthalle am Karlsplatz und einiger guter Cafés, hat sich in der Geografie der urbanen Klientel als Fixpunkt eingebrannt. 

Einer der "Architekten" und Ideengeber des Viertels war der Galerist Georg Kargl, der 1998 hier seine Galerie eröffnete und Kolleginnen ermunterte, es ihm gleichzutun. Kargl beobachtete auch mit strengem Auge, wer rundum Lokale und Häuser bezog. Der Galerist starb im Mai 2018, sein Unternehmen besteht weiter, doch das Gefüge des Ortes hat sich seither verändert. 

Als im September 2023 auch noch die Galeristin Gabriele Senn, die mit ihrem Schauraum profilierte Künstler wie Hans Weigand oder Elfie Semotan vertrat, verstarb, entstand eine weiterer tiefer Riss im Gefüge des Ortes, dessen Strahlkraft - mit all den ökonomischen Folgen im Kunst-, Immobilien- und Gastronomiesektor - nicht zu unterschätzen ist. Mit der Förderagentur "Phileas", die ein weiteres Gassenlokal betrieben hatte, und dem "Stadtraum Friedrichshof", der im neuen "Wiener Aktionismus Museum" aufging, zogen zwei weitere Kunst-Player aus der Straße ab. 

Eine der verbliebenen Veteraninnen ist Christine König, die ihren Standort neben Senns Galerie mit ihrem Mitarbeiter Robby Greif bereits vor einigen Jahren um eine Dependance ums Eck in der Margaretenstraße erweitert hatte. Doch auch in ihrem Betrieb stand ein Generationenwechsel an. Und das Team König - nicht zu verwechseln mit der Berliner Galerie Johann König, deren Pop-Up-Präsenz gegenüber der Secession von kurzer Dauer war - wusste um die Netzwerkeffekte, die ein Galerien - Cluster für alle Beteiligten bringt. Und es gab andere Galeristen, die einen Standort in Wien suchten. 

Die neue Schleifmühlgasse

Am vergangenen Donnerstag feierte nun also die "neue Schleifmühlgasse" eine Premiere: Christine König erweiterte ihren Wirkungskreis auf die ehemalige Phileas-Residenz (Schleifmühlgasse 1) mit einer Konzeptgalerie: In dieser wird jeweils nur ein Kunstwerk vorgestellt, das seinerseits von einem literarischen Werk inspiriert wurde. Aktuell ist es ein Gemälde des französischen Malers Mathieu Cherkit, der sich auf das enigmatische Buch "House of Leaves" von Mark Z. Danielewski bezieht. Permanent installiert ist ein Werk des Konzeptkünstlers Joseph Kosuth, den die promovierte Germanistin König über viele Jahre betreute und u. a. mit dem Freud-Museum vernetzte.

In Königs "Stammgalerie" (Schleifmühlgasse 1A) sind nun Elsa König, die Tochter der Galeriegründerin, und Robby Greif für das Programm verantwortlich. Hier ist eine Installation der Otto Mauer-Preisträgerin Maruša Sagadin zu sehen, die mit dem Status von Skulptur zwischen autonomem Objekt und Gebrauchsgegenstand spielt - und außerdem Bezug auf den Basketball-Background der Künstlerin nimmt. 

Dazwischen - in den Räumen, die einst von der Galerie Gabriele Senn bespielt wurden - hat der Galerist Dawid Radziszewski  aus Warschau einen Wien-Standort eröffnet. Er vertritt namhafte polnische Gegenwartskünstler und -Künstlerinnen, darunter Agnieszka Polska, die heuer am 16. Juni auch ihre erste Theaterinszenierung bei den Wiener Festwochen zeigen wird. 

Galerienviertel, die nächste Generation: Wiens Schleifmühlgasse erneuert sich

Die Galerien der Schleifmühlgasse haben regulär Di-Fr von 11-18 Uhr geöffnet, Samstags von 11-16 Uhr. 

Eine andere Gruppe von Galerien und Kunsthandlungen der Wiener Innenstadt veranstaltet am Wochenende (23. - 25. 5. ) den so genannten "Vienna City Gallery Walk". Dabei werden geführte Touren zu einzelnen Ausstellungen nach dem "Hop On, Hop Off"-Prinzip angeboten. 

Der Eintritt zu allen Ausstellungen und Touren ist frei.

Warschau-Klagenfurt-Wien

Ein paar Türen weiter - in jenen Räumen, die von 1999 bis 2017 von der Galerie Kerstin Engholm bespielt wurden und danach wechselnde Betreiber hatten - residiert nun die Galerie 3.  Sie war mit ihrem Hauptsitz am Alten Platz in Klagenfurt vor allem in der Kärntner Kunstwelt ein Begriff, doch auch hier fand vor einigen Jahren ein Generationswechsel statt. Unter der Führung von Lena Freimüller wurde nicht nur das Programm verjüngt, man streckte auch immer wieder die Finger nach Wien aus - und die Präsenz auf diversen Messen und Events wie der "Parallel" half mit, einen Ruf über die Bundesländergrenzen hinaus zu etablieren.  

Galerienviertel, die nächste Generation: Wiens Schleifmühlgasse erneuert sich

"Treasure Hunt" (Schatzsuche) heißt nun die Debüt-Ausstellung am Wiener Standort, die das Programm der Galerie 3 in einen etwas spielerischen Rahmen packt: Von Gemälden, die sich auf verklausulierte Art mit dem Gewinn von Bodenschätzen befassen (Maria Legat) über Bildobjekte, die das Motiv der Landkarte bzw. Schatzkarte aufnehmen (Sophie Dvorak) oder einen simplen Baukeil als Alu-Abguss aufwerten (Hans Schabus) sind hier verschiedene "Schätze" verteilt, die die Künstlerinnen selbst als solche definiert oder ge- und erfunden haben. Die Schatzsucher - insbesondere Sammler, die die Dinge wertschätzen und mit Kunstkäufen auch in die Produktion und den Standort investieren - können also kommen. 

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