Schimpansen im Unterhaus: Banksy kommentiert Rekord-Auktion

Schimpansen im Unterhaus: Banksy kommentiert Rekord-Auktion
Der britische Street-Art-Künstler hinterfragt nach dem Erlös von elf Millionen Euro für "Devolved Parliament" den Kunstmarkt.

Aggressive Schreiduelle, wirres Durcheinandergebrülle, Alpha-Männchen, die sich hasserfüllt anblitzen – das britische Unterhaus erlebt in der Brexit-Krise eine emotionale Debatte nach der anderen und gleicht mitunter einem Tollhaus. Böse Zungen mögen auch von einem Affenzirkus sprechen.

Auch der gesellschaftskritische Street-Art-Künstler Banksy dürfte sich das gedacht haben, allerdings bereits vor mehr als zehn Jahren, als er sein Gemälde „Question Time“ schuf. Mittlerweile wurde es umbenannt in „Devolved Parliament“ („Dezentralisiertes/Delegiertes Parlament“). Es zeigt den Sitzungssaal des britischen Unterhauses, nur dass statt Abgeordneten Schimpansen darin debattieren.

Am Donnerstagabend war das größte bekannte Banksy-Gemälde, das das britische Unterhaus voll besetzt mit Schimpansen zeigt, beim Londoner Auktionshaus Sotheby's versteigert worden. Bei der 13-minütigen Versteigerung gingen die Gebote für das Ölgemälde aus dem Jahr 2009 am Donnerstag rasant nach oben.

"Schande, dass es nicht mehr mir gehörte"

Nach der Versteigerung hat sich Banksy mit einer kritischen Stellungnahme zu Wort gemeldet. "Eine Schande, dass es nicht mehr mir gehörte", schrieb er in der Nacht zum Freitag auf Instagram und postete dazu ein Zitat des Kunstkritikers Robert Hughes.

Darin heißt es, Kunstwerke seien zum "speziellen Eigentum von jemandem geworden, der es sich leisten kann", anstatt das "gemeinschaftliche Eigentum der Menschheit zu sein", wie es bei Büchern der Fall sei. "Angenommen jedes lohnenswerte Buch würde eine Million Dollar kosten - stellen Sie sich vor, welch katastrophale Auswirkung das auf die Kultur hätte."

Banksy hatte das Bild 2011 verkauft. Zum Verkäufer machte Sotheby's keine Angaben, das Londoner Auktionshaus hatte den Wert im Vorfeld auf 1,5 bis zwei Millionen Pfund geschätzt.

Die nun erzielte Summe bedeutet einen Rekord für ein Werk des britischen Künstlers, dessen Identität unbekannt ist. Der bisherige Rekordpreis für ein Banksy-Werk lag bei umgerechnet 1,7 Millionen Euro, die 2008 bei einer Auktion in New York erzielt wurden.

Bild entstand vor Brexit-Debatte

Das monumentale Gemälde ist mehr als vier Meter lang und zweieinhalb Meter hoch und war erstmals 2009 in einer Ausstellung in Bristol zu sehen. Der Künstler arbeitete es später um.

Unter anderem ließ er die Lampen an der Decke verlöschen. Die Banane, die ein Affe im Vordergrund in der Hand hält, zeigt nun nach unten statt nach oben. Kurz vor dem ursprünglich geplanten Brexit-Datum am 29. März dieses Jahres war es erneut in einer Ausstellung in Bristol zu sehen.

Der Titel "Devolved Parliament" ist ein Wortspiel mit dem politischen Begriff, der in Großbritannien für die Reform des Zentralstaats hin zu einer regionalen Verwaltung steht. Wörtlich bedeutet "devolved" eigentlich "übertragen", es kann aber auch als Gegenteil von "evolved" ("entwickelt") verstanden werden, das von "Evolution" abgeleitet ist.
 

"Unabhängig davon, auf welcher Seite man in der Brexit-Debatte steht, gibt es keinen Zweifel, dass dieses Werk heute relevanter ist als jemals zuvor", hatte das Auktionshaus Sotheby's vor der Auktion erklärt.

Banksy habe die "kompliziertesten politischen Situationen der Gesellschaft" in nur einem einzigen Bild destilliert, schwärmte Alex Branczik, der bei Sotheby's für zeitgenössische europäische Kunst verantwortlich ist.

"Was wir in den vergangenen Wochen und Monaten im Unterhaus gesehen haben, ist zu einer täglichen Seifenoper geworden." Mit dem Gemälde zeige Banksy den Rückschritt der ältesten parlamentarischen Demokratie in eine Welt von "tribalistischem, animalischem Verhalten".

Banksys Identität gibt bis heute Rätsel auf. Bekannt ist nur, dass er aus Bristol stammt und Ende der 90er-Jahre nach London kam. Mit seinen oft überlebensgroßen Graffitis im öffentlichen Raum und seinen gesellschaftskritischen Motiven erlangte der Künstler rasch Berühmtheit. In den letzten Jahren kamen groß angelegte, mehrtägige Kunstaktionen hinzu. Der große Aufwand, der dahinter steckt, führte zu der Theorie, dass hinter Banksy ein ganzes Künstlerkollektiv stecken könnte.

Große internationale Aufmerksamkeit zog die New Yorker Versteigerung des Bildes "Girl with Balloon" im vergangenen Oktober auf sich. Unmittelbar nach dem Zuschlag für umgerechnet rund 1,2 Millionen Euro wurde das Bild durch einen im Rahmen eingebauten Schredder zum Teil zerstört. Dieser Mechanismus war vom Künstler so vorgesehen, der Öffentlichkeit und dem Auktionshaus vorher jedoch nicht bekannt. Die Käuferin übernahm das Bild trotzdem.

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