Schauspieler Ethan Hawke: "Es ist ein Wunder, dass wir hier sind“

Mit 15 wusste Ethan Hawke, geboren in Texas, dass er keinen konventionellen Beruf ergreifen wollte. Er trat der Uni-Theatergruppe bei. Mit 19 wurde er mit „Der Club der Toten Dichter“ berühmt. Danach kam „Reality Bites“, der Film der Generation X. Er wurde zum Idol.
„Before Sunrise“, das die Wiener besonders lieben, brachte Hawke mit Richard Linklater zusammen, der bis heute seine Karriere prägend beeinflusst. Ihre neueste Zusammenarbeit wird mit großer Spannung erwartet.
KURIER: Sie sind nicht nur Schauspieler, sondern auch Regisseur und Musiker. Was hat Sie dazu gebracht, auch hinter der Kamera arbeiten zu wollen?
Ethan Hawke: Ich hatte einen Vorschlag für die Filmmusik eines Films, den ich jetzt nicht nennen werde, und sagte es dem Regisseur. Der schaute mich an und meinte: ,Eines Tages kannst du einen Film drehen und die Musik auswählen. Aber jetzt mache ich das.’ Und ich dachte nur: ,Verpiss dich.’ Da wusste ich, dass ich wirklich einmal Regie führen will. Und Musik ein Teil davon sein wird. Es gibt ein berühmtes Zitat von Mark Twain, dass jede Kunst danach strebt, Musik zu sein. Zum Beispiel: Peter Weir am Set von „Der Club der Toten Dichter“: Es gibt eine Szene am Ende, in der wir alle auf unsere Schreibtische steigen, während Robin Williams den Raum verlässt. Peter hatte in den hinteren Teil des Klassenzimmers riesige Lautsprecher eingebaut, weil wir Kinder waren und nicht wussten, was wir taten. Aber er konnte das Gefühl jeder Szene vermitteln, indem er Musik spielte, während wir die Aufnahmen vorbereiteten.
Was treibt Sie an?
Ich versuche, die Balance zu halten zwischen einem verantwortungsbewussten Profi und dem Teil von mir, der versteht, in welch großartiger Position ich mich befinde. Immer wenn man das tun kann, was man liebt, und andere Menschen Geld bezahlen, um deine kreative Arbeit zu sehen, ist das ein Luxus. Ich liebe es, dass Coppola sein Weingut verkauft hat, um „Megalopolis“ zu machen. Gier regiert unser Universum. Wenn du sagst, du willst einfach nur Geld verdienen, versteht jeder, worauf du hinauswillst. Ich liebe es, wenn Menschen den großen Traum am Leben erhalten, etwas Großartiges zu erschaffen. Und das ist sehr schwer, denn die ganze Industrie, die das Filmemachen antreibt, ist darauf ausgelegt, Geld zu verdienen.

Ethan Hawke in Cannes.
Richard Linklater…
Ah, ja, Richard Linklater. Wenn du dir „Harry Potter“ oder „Star Wars“ ansiehst, fühle ich mich, wenn es vorbei ist, leicht enttäuscht, dass ich kein Zauberer oder Jedi bin. Wenn du jedoch einen Film von Richard Linklater siehst, gehst du heraus und denkst: ,Nun, das habe ich schon erlebt. Ich habe eine Verbindung zu einem anderen Menschen aufgebaut.’ Es ist ein bisschen wie dieses alte Zen-Zitat: ,Du musst nicht auf dem Wasser gehen. Du darfst auf der Erde gehen.’ Ich habe das Gefühl, dass das Richard Linklaters Filme tun: Sie erinnern dich daran, dass es ein Wunder ist, dass wir überhaupt auf der Erde sind, dass wir atmen, und dass es Wale und Giraffen gibt. Und das war der Beginn meiner erwachsenen Beziehung zu Filmen: ,Before Sunrise’ und die Freundschaft, die danach entstand. Wir haben gerade unseren neunten oder zehnten Film zusammen abgeschlossen, je nachdem, wie man zählt…
„Blue Moon“, die Geschichte des Komponisten Lorenz Hart, der mit Alkoholismus und psychischen Problemen kämpfte. Wie kam der Film zustande?
Richard ist so eine seltsame Person. Er hat mir dieses Drehbuch vor etwa zwölf Jahren geschickt, und es war eines der besten, die ich je gelesen habe. Es geht um Rodgers & Hart, und die ganze Handlung spielt in Echtzeit. Es sind etwa 90 Minuten im Jahr 1943. Ich rief Richard an und sagte: ,Ich liebe es, lass es uns machen.’ Er meinte: ,Nein, nein. Wir werden es machen, aber wir müssen noch warten. Du bist noch zu attraktiv. Du musst warten, bis du etwas weniger attraktiv bist. Vertrau mir, wir machen es, aber legen wir es alle paar Jahre einfach in die Schublade.’ Und dann sah er mich in einem TV-Interview, rief mich an und sagte: ,Hey, du bist grau geworden. Lass uns ,Blue Moon’ machen.’ Fuck you, haha!
Können Sie sich vorstellen, je etwas anderes zu tun?
Nein. Filme zu drehen macht süchtig, das ist wie Drogenkonsum. Du willst es einfach immer wieder tun. Es ist so ein wunderbares Gefühl, weil du dich nicht allein fühlst. Es gibt ein seltsames zweischneidiges Schwert, ein Schauspieler zu sein. Von außen wirst du gefeiert. Aber die wahre Freude am Schauspielern liegt im Verschwinden. Du fühlst, wie du verschwindest und Teil dieses Traums wirst. Und du siehst, wie der Traum in anderen Menschen lebt, und genau da kommt der Rausch her.
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