Scala: Nationalfeiertag mit Mozart

Carlos Alvarez als "Figaro“-Graf
Applaus für das Operndebüt von Franz Welser-Möst mit "Le nozze di Figaro" in Mailand.

Ein österreichischer Intendant (Alexander Pereira), ein österreichischer Dirigent (Franz Welser-Möst), ein österreichischer Protagonist (Markus Werba als Figaro), ein Werk eines österreichischen, naja zumindest salzburgerischen Komponisten (Mozart) – an der Mailänder Scala kam es am österreichischen Nationalfeiertag auch zu einer Art Leistungsschau. Allerdings mit künstlerischen Waffen, eines Kulturlandes durchaus angemessen. Wobei ja die Kunst eine Art Überwindung des nationalistischen Gedankens sein sollte, aber das nur als Aperçu zum parallel dazu in Österreich stattfindenden "Bürgerkriegs"-Gefasel.

Im vielleicht schönsten Opernhaus der Welt auf dem Programm: "Le nozze di Figaro" in einer Neuproduktion, die man in dieser Qualität gerne auch im Repertoire der Staatsoper hätte. Der junge Regisseur Frederic Wake-Walker besitzt allen Ernstes die Chuzpe, nach dem legendären Giorgio Strehler, dessen Interpretation seit 1981 an der Scala lief, "Figaro" neu zu inszenieren – und er nützt diese Chance fabelhaft.

Strehler-Hommage

Wake-Walker stellt eine wahre Strehler-Hommage auf die Bühne, respektvoll, aber nicht devot. Schon zur Ouvertüre werden Versatzstücke von Kulissen im Strehler-Stil hereingerollt, sie passen aber nicht mehr ganz zusammen. Im Zentrum steht der berühmte Fauteuil, hinter dem sich Cherubino und der Graf später verstecken werden. Nach der Kavatine "Se vuol ballare" springt Figaro auf dieses Möbelstück, und es zerbricht. Die Zeit von Strehler ist vorbei, wir müssen etwas Neues schaffen.

Das passiert ab dem zweiten Akt mit einer Übermalung der Kulissen. Im vierten Akt gibt es gar kein Strehler-Bild mehr, nur noch einen stilisierten französischen Garten, erinnernd an den Landschaftsarchitekten André Le Nôtre.

Wake-Walker lässt die meiste Zeit hindurch sogar eine Strehler-Figur auf der Bühne sitzen, die in der Partitur mitliest, Anmerkungen macht und mit einer Kurbel die Drehbühne bewegt. Das Rad der Zeit geht weiter.

Abgesehen davon, dass der Regisseur mit den Sängern präzise gearbeitet hat: Diese Produktion ist ein Musterbeispiel dafür, wie man an einem sehr traditionellen Haus stilvoll Neues schaffen kann. Dass Wake-Walker auch mit dem für Strehler typischen (an Beaumarchais gemahnenden) politischen Ansatz arbeitet, Theater als Spiel und nicht als Realität zu zeigen, das Spiel im Spiel auszustellen, die Kunstfiguren am Ende zu demaskieren – all das macht seine Produktion intellektuell anspruchsvoll. Ästhetisch und bis zur Ironisierung überhöht sind die Kostüme (Antony McDonald).

Musikalisch hat dieser "Figaro" dank des Scala-Operndebüts von Franz Welser-Möst ebenfalls Niveau. Er ist in jenen Momenten, in denen Trauer vorherrscht, etwa in der "Dove sono"-Arie am besten. Seine Lesart setzt auf feine Gestaltung, auf Zartheit, Reduktion, die Tempi sind schön differenziert. Um Witz, um freche Zugänge, geht es hier kaum. Leider ist das Orchester anfangs noch schwerfällig, gar nicht flexibel, klanglich nicht sonderlich farbenreich. Als hätte man auch in Mailand Feiertag und dienstfrei. Es wird jedoch von Akt zu Akt besser.

Fabelhaft, clownesk

Die Besetzung ist teils famos. Carlos Álvarez ist ein profunder Graf, mit noblem Timbre und großer Ausstrahlung. Diana Damrau, die ehemalige Susanna, ringt um die Partie der Gräfin, ist in den Rezitativen exzellent und singt immerhin ihre zweite Arie berührend. Golda Schultz spielt die Susanna fabelhaft und besticht bei der Rosenarie mit ihrem hellen, klaren Sopran. Marianne Crebassa als humorvoller, charmanter Cherubino ist ebenso gut besetzt wie Anna Maria Chiuri (Marcellina) und Kresimir Spicer (Basilio, Don Curzio). Andrea Concetti fehlt für Bartolo (er singt auch Antonio) die Tiefe. Und Markus Werba als Figaro? Sein Timbre ist zu hell für diese Partie, er springt auf der Bühne herum wie ein clownesker Papageno und scheint eine One-Man-Show abziehen zu wollen. Dabei ging es doch um Anderes.

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