Satanismus, Sex und Nazi-Fetisch: Kultregisseur Kenneth Anger ist tot

Satanismus, Sex und Nazi-Fetisch: Kultregisseur Kenneth Anger ist tot
Der US-Filmemacher, dessen schmales Werk in Filmen, Videoclips und in der Popkultur endlos widerhallt, wurde 96 Jahre alt

Er hatte den Namen "Lucifer" auf seine Brust tätowiert. Der gefallene Engel erschien bei ihm nicht als Verkörperung des Bösen, sondern im wörtlichen Sinn als "Lichtbringer". Und das Licht, durch Kenneth Angers Filme hindurch auf die Leinwand projiziert, ergab verstörende, hypnotische, drastische, flackernde Bilder. Es waren Vor-Bilder, ohne die das moderne Musikvideo im Rock- und Popbereich ebenso wenig denkbar wäre wie zahllose andere Meisterwerke der jüngeren Filmgeschichte. Quentin Tarantino, David Lynch, Martin Scorsese - alle beriefen sich auf den Mann, der, wie erst jetzt bekannt wurde, bereits am 11. Mai in einem Altersheim in Kalifornien verstorben ist. Kenneth Anger (seinen bürgerlichen Namen "Anglemyer" glich er an sein explosives Temperament an) wurde 96 Jahre alt.

 

Leder, Nieten und blauer Samt

Angers Ruf gründete im Kern auf einer Reihe von Kurzfilmen, die zwischen 1947 und 1972 entstanden. Am bekanntesten wurde "Scorpio Rising" (1963), ein Film, in dem Anger einer schwulen Gang von Neonazi-Motorradrockern folgt. Die Kombination von tabuisierten Bildern - Anger gilt auch als Begründer des "queer cinema" - mit populären Musikstücken war damals radikal neu, die Musikvideo-Ästhetik nahm später tausendfach darauf Bezug. Die Darstellung von Nacktheit holte auch die Tugendwächter auf den Plan.

Anger war dem Starkult Hollywoods in einer Art Hassliebe verbunden - sein Buch "Hollywood Babylon", 1959 zuerst in Frankreich erschienen, erzählte diverse Skandale aus der Filmmetropole und erreichte bald Kultstatus. Zugleich umgab sich der Avantgardist gern mit Berühmtheiten, darunter den Rolling Stones, Led Zeppelin oder dem französischen Schriftsteller Jean Cocteau. Doch auch Protagonisten, die später in die Morde der "Manson Family" involviert waren, zählten zu seinem Kreis.

Verflucht!

Der Okkultismus machte Angers Ruf als Zentralgestirn der Verruchtheit komplett: Er hing den Lehren des Satanisten Aleister Crowley an, sah Film als "Macht des Bösen" an und belegte Menschen, mit denen er im Streit schied, mit Flüchen - laut einem Bericht der New York Times geschah dies gegenüber dem Led Zeppelin-Gitarristen Jimmy Page, der einst einen Soundtrack für Angers Film "Lucifer Rising" hätte beisteuern sollen.

Als Türöffner für eine neue Dimension des Filmemachens wurde Anger aber bis zuletzt verehrt - wenn auch seine späteren Filme, etwa die Montage "Ich Will!" (2008), die sich mit der Hitlerjugend befasste, nicht mehr an den Kultstatus seiner frühen Werke heranreichten. 2022 wurde "Scorpio Rising" auch offiziell in die US-Kongressbibliothek aufgenommen - als schützenswertes Kulturerbe.

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