Salzkammergut: Kulturhauptstadt, untergegangen im Advent
Der Advent hat sich über das weiß angezuckerte Bad Ischl gelegt – und die Kulturhauptstadt unter sich begraben. Beim Zauner werden Lebkuchenhäuser und Weihnachtsbäckereien sonder Zahl – darunter die verlockende „Gelbe Masse“ – feilgeboten.
Die ehemalige Trinkhalle dient nicht mehr als Ausstellungsforum und Informationszentrale, sie beherbergt nun den „Christkindlmarkt der Ischler Handwerker“. Und das riesige Transparent – „So long ois bleibt, weils oiwei scho so woa, bin i Feminist:in“ von Katharina Cibulka – am ehemaligen Post- und Telegrafenamt ist verschwunden. Die Kosten für das Gerüst seien zu teuer gekommen, meinte am Freitag Elisabeth Schweeger, die Intendantin der untergehenden Kulturhauptstadt. „Aber es hätte auf Dauer gut hierhergepasst – als Mahnmal.“
Damit sorgte sie für Applaus (bei den einen) und unterkühlte Lacher (bei den anderen) während ihrer Bilanz-Pressekonferenz im eiskalten Lehár Theater, das nun erst 2027 renoviert wiedereröffnet werden soll. Aber immerhin: Ohne den Druck von Schweeger und ihrem Team würde die Sanierung um zwölf Millionen Euro (brutto) wohl nicht so bald in Angriff genommen werden.
Ein letztes Mal demonstrierte die Politik, wie wichtig ihr das Kulturhauptstadtjahr, ausgerichtet von Ischl zusammen mit 22 anderen Gemeinden des Salzkammerguts, ist: Kulturminister Werner Kogler (Grüne) ließ sich von Sektionschefin Theresia Niedermüller vertreten, Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) von der Landtagsabgeordneten Elisabeth Manhal – und Parteikollege Christopher Drexler aus der Steiermark vom völlig unvorbereiteten, zum Bundesrat aufgestiegenen Christian Buchmann. Fast alle blickten indigniert (oder ergriffen?) zu Boden, als Elisabeth Schweeger und Manuela Reichert, die Geschäftsführerin, die Zahlen präsentierten. Insgesamt standen 31 Millionen Euro zur Verfügung (Graz 2003 hatte ein doppelt so hohes Budget und Linz 2009 noch mehr), davon floss etwas mehr als die Hälfte (15,8 Millionen) in die Projekte.
Zwei Millionen steuerten die Sponsoren (darunter Raiffeisen als „Top Partner“) bei. 700 Journalisten haben sich akkreditiert, es gab weltweit 14.000 Artikel in 700 Medien mit einem hochgerechneten Werbewert von 110 Millionen. Die Zahl der Tagestouristen mit Handy stieg laut A1 in Ischl im Zeitraum von Mitte Jänner bis Ende Oktober gegenüber dem Vergleichszeitraum 2023 von 4,6 auf 5,2 Millionen, bei den Nächtigungen gab es ein Plus von 9,6 Prozent.
Die Gesamtbesucherzahl bezifferte man hyperseriös mit „vorläufig“ 600.000. Sie ist viel zu niedrig angesetzt, da der Auszählungsgrad bei den 200 Eigenprojekten nur 58 Prozent ausmacht – und bei den 100 assoziierten Projekten gar nur 27 Prozent. Zudem gab es 39 Projekte im öffentlichen Raum.
Man erzählte wieder die Geschichte vom Zusammenwachsen einer Region, jeder am Podium (Bürgermeister, Touristiker, Wirtschafter) zog – nicht weiter verwunderlich – eine positive Bilanz. Eigentlich hätte man nur auf die Ischler Woche und deren Umfrage (mehr als 330 abgegebene Fragebögen) verweisen müssen: 49 Prozent bewerteten die Kulturhauptstadt mit „sehr gut“, die Erwartungen von 55 Prozent wurden erfüllt. 72 Prozent meinen, dass die Kulturhauptstadt der Region einen Nutzen gebracht hat, 60 Prozent glauben, dass die Vielfalt gefördert wurde.
Wäre die Befragung auf das steirische Salzkammergut ausgeweitet worden, sähe das Ergebnis wohl anders aus, hatte jedoch Florian Seiberl, Chefredakteur der Alpenpost im widerständigen Ausseerland, angemerkt. Dort ließ man kein gutes Haar an Schweeger und deren Frisur. Denn zu queer und zu feministisch sei das Programm gewesen. Doch das Kammerhofmuseum in Bad Aussee z. B. hatte heuer dreimal mehr Besucher als 2023.
Den größten Einzelerfolg fuhr Alfred Weidinger vom Landesmuseum in Linz ein: Die von ihm kuratierte Schau Ai Weiwei kam auf 58.868 Besuche. 2025 schießt er in Ischl Erwin Wurm nach.
Und vielleicht wird man vor dem Bahnhof die Skulptur „Atemluft“ sehen. Xenia Hausner hätte – im Sinne der Nachhaltigkeit – nichts dagegen. Bleiben wird auch das Wort „Pudertanz“: Nichts erregte die „Salzkammergütler“ mehr als diese Performance von Doris Uhlich zur Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres. Schweeger grinst: Uhlich erhielt heuer den Österreichischen Kunstpreis ...
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