Kulturhauptstadt Bad Ischl: Nun auch Nazis im Hotel Austria
An der Esplanade von Bad Ischl liegt ein schmuckes Gebäude mit der Aufschrift „HOTEL AUSTRIA“. Früher einmal stand in der „Lücke“ dazwischen noch „GARNI“. Irgendwie schade, dass man das Wort eliminiert hat. Denn das Hotel Austria ist zwar längst kein Beherbergungsbetrieb mehr, dennoch aber wunderbar garniert – mit österreichischer Geschichte.
Ursprünglich war es das Erbhaus der Salzfertigerfamilie Seeauer: Von hier wurde das Salz auf Plätten traunabwärts transportiert. 1834 bezog die Familie des Erzherzogs Franz-Carl und seiner Frau Sophie das erste Stockwerk. Im August 1853 fand hier die Verlobung von Kaiser Franz Joseph, dem Sohn, und seiner Elisabeth in Bayern, genannt Sisi, statt. 1878, nach dem Ableben des erzherzoglichen Paares, baute Samuel Sonnenschein das Gebäude zum Hotel um. Ein solches blieb es, auch unter anderen Besitzern, bis 1982.
Der Trauungssaal
In jenem Jahr erwarb Bad Ischl die Immobilie – und machte daraus das Stadtmuseum. Die Eröffnung fand 1989 statt. Aber nicht nur: Im Stil der 80er Jahre wurde auch ein holzgetäfelter Trauungssaal eingerichtet, in dem man sich – naheliegend – vor einem etwas steifen Bild von Sisi und Franz das Jawort geben kann. Dieser Saal, hinter einer Tür versteckt, ist original erhalten und mithin eine Zeitkapsel: Irgendwann wird man ihn zu schätzen wissen.
Die übrigen Räume hingegen wurden jetzt einer Modernisierung unterzogen. Das war mehr als dringend notwendig. Denn die im Museum dargestellte Geschichte von Bad Ischl – ein Sammelsurium mit vielen Objekten des Heimatvereins und der Saline – endete tatsächlich 1916: mit dem Tod des Kaisers, der von 1849 an jeden Sommer in Ischl verbracht und just hier, in seiner mit Jagdtrophäen vollgestopften Villa, 1914 die Kriegserklärung an Serbien unterfertigt hatte. Alles, was danach folgte, kehrte man mit großem Hang zum Revisionismus einfach unter den Teppich.
Derart rückwärtsgewandt und verklärend sollte sich Ischl im Kulturhauptstadtjahr den Touristen präsentieren? An eine Neuaufstellung war im Zuge der Planungen nicht einmal gedacht worden. Erst die in der Not und fast zu spät bestellte Intendantin Elisabeth Schweeger verlangte eine solche. Und Museumsleiterin Herta Neiß machte sich mit dem Historiker Michael John begeistert an die Arbeit: Am Freitag wurde das neue Stadtmuseum eröffnet.
Das Konzept ist simpel: Die bisher breit ausgewalzte, mit zu vielen Schaustücken illustrierte Geschichte wurde gehörig eingedampft. Man erfährt dennoch mehr als genug über den Aufstieg der Stadt durch die Salzgewinnung und später, im 19. Jahrhundert, als Kurort und Hotspot der Sommerfrische. Es gibt nun digitale Fotoalben, interaktive Stationen – und mit einem Augenzwinkern werden mitunter die Eigenheiten kommentiert. Im Stiegenhaus liest man in riesengroßen Lettern den Text einer Postkarte: „In Ischl ist es wunderschön, wie auf dem Bild zu seh’n. Doch fänden wir’s bedeutend netter, wär’ jetzt nicht so ein Regenwetter!“
Im ersten Stock wird noch immer gebührend dem Kaiser, der Schratt (seiner Geliebten) und der widerspenstigen Sisi (mit Veilchentapete!) gehuldigt. Aber Neiß thematisiert auch den Ersten Weltkrieg mit eindrücklichen Fotos, mächtig aufgeblasen.
Ein eigener Bereich ist dem Kurmittelhaus, 1929 bis 1932 nach den Plänen von Clemens Holzmeister errichtet, gewidmet. Es wäre, denkt man sich beim Betrachten der sehr grafischen Architekturfotografien unmittelbar nach der Fertigstellung, hoch an der Zeit, die Therme originalgetreu zu sanieren. Von der einstigen Einrichtung konnte Neiß leider nur ein schäbiges, weißes Tischchen auftreiben.
Die NS-Bürokratie
Noch schwieriger war es, sprechende Objekte zur Darstellung des Austrofaschismus und der NS-Zeit zu finden. Neiß musste sich daher zum Beispiel mit einer Steyr-Maschinenpistole behelfen, die während des Bürgerkriegs im Februar 1934 in Steyr eingesetzt worden war. Für die Machtübernahme durch das Hitler-Regime fand Neiß ein sehr eingängiges Objekt: einen Liegestuhl mit NS-Emblem. Die neuen Machthaber machten es sich gemütlich im Salzkammergut – ganz besonders in den enteigneten beziehungsweise „arisierten“ Villen. Die Judenverfolgung stellt Neiß unter anderem am Fall Fritz Löhner-Beda dar: Der Schlagertexter und Librettist von Franz Lehár wurde gleich nach dem „Anschluss“ 1938 verhaftet – und 1942 im KZ Auschwitz ermordet.
Als Sinnbild für die Vertreibung jüdischer Villenbesitzer wie die „Verwertung“ der Besitztümer hat Hans Kropshofer, der Ausstellungsgestalter, ein Büro eingerichtet – mit einem Schreibtisch, der einschüchtert, und vielen Aktenordnern. Nach dem Untergang des Dritten Reiches wollte man in Ischl viele Jahrzehnte lang nichts von Restitution wissen. Doch dieses ruhmlose Kapitel ist mehr oder weniger abgeschlossen.
Im letzten Raum geht es sogar in die unmittelbare Gegenwart. Denn zu sehen ist die Karikatur von Gerhard Haderer über den „Pudertanz“, der zur Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres für Entsetzen sorgte: Der Kaiser wird von vielen Nackedeis umringt. Ein schönes Ende.
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