Salzburger Festspiele eröffnet: Viele Töne gegen "Eintönigkeit des Krieges"

Salzburger Festspiele eröffnet: Viele Töne gegen "Eintönigkeit des Krieges"
Festredner Trojanow geißelte Konzerne und Kriegstreiber. Politiker betonten die Rolle von Kunst in Krisenzeiten

"Das Verhältnis von Kunst und Macht, es ist komplex": Was sich leicht dahinsagt, lässt im konkreten Fall viele ungelöste Fragen offen - denn die Kultur im Allgemeinen und die Salzburger Festspiele im Besonderen sind nun einmal in ein vielschichtiges Netzwerk von Gönnern, Geldgebern und Akteuren eingebunden.

Dass der sorglose Umgang damit seit Beginn des Ukraine-Kriegs endgültig ein Ding der Vergangenheit ist, war beim Eröffnungsakt der Festspiele am Dienstag offenkundig. Inmitten von Beteuerungen, warum das Festival dennoch oder gerade deswegen seine Existenzberechtigung habe, gelang es dem Festredner Ilija Trojanow, einige Zusammenhänge feinsinnig und doch durchaus direkt und provokant zu benennen.

Der deutsche Schriftsteller, in Bulgarien geboren, spann in seiner Rede ein dichtes Netz aus historischen Anekdoten und aktuellen Bezügen. Die Gier von Konzernen wurde da mit der Kriegstreiberei Putins in Verbindung gesetzt, wenn Trojanow etwa sagte, dass der rücksichtslose Bergbau in Guatemala oder Sierra Leone ein "permanenter Krieg gegen unsere Mitmenschen und gegen die Natur" sei. Konkret nahm Trojanow auf die Bergbau-Aktivitäten des Schweizer Solway-Konzerns Bezug, der in einem Sponsoring-Verhältnis zu den Festspielen gestanden war; dieses wurde aber nach Einleitung einer - noch nicht abgeschlossenen - Untersuchung von Vorwürfen zu unmenschlichen Arbeitsbedingungen in dessen Minen beendet.

"Zeit, das System zu ändern"

"Die zynische Erwiderung, wer von uns habe schon saubere Hände, darf nicht gelten", sagte Trojanow und forderte ein weiter führendes Umdenken: "Wenn Wohlstand nur entstehen kann, indem Mitmenschen geknechtet werden und Natur zerstört wird, dann wird es höchste Zeit, das System zu ändern, nicht nur die Sponsoringregeln.“

Trojanow verwies auch auf eine Recherche von Mitarbeitern des inhaftierten Alexei Nawalny, die den Dirigenten Valery Gergiev „als Großgrundgewinnler“ zeige: „Dutzende Immobilien, vor allem in Italien - eine Villa mit 18 Zimmern in einem Golfklub, ein ganzes Kap in Amalfi, dreißig Hektar in Rimini, 800.000 qm in Mailand, ein Palazzo in Venedig und und und. Das Ass im Ärmel dieses Dirigenten ist sein eigener Wohltätigkeitsfonds, an dem er sich nach Belieben bedient, gefördert von den mafiösen Banken seines Landes. Und von der Moskauer Regierung. Vier Milliarden Rubel insgesamt.“

Anstand geopfert

Die Kunst erscheine vor solchem Hintergrund in anderem Licht, so Trojanow: "Nun, da wir das wissen, stellt sich die giftige Frage: Was hören wir, wenn wir seiner gefeierten Interpretation von Le sacre du printemps lauschen? Was wird geopfert, die Jungfräulichkeit oder der Anstand?"

Kunst in ihren vielen Erscheinungsformen, so der Schriftsteller, stünde aber doch in direkter Opposition zur Kriegstreiberei und zur Eindimensionalität, die Krieg und seine Wegbereiter namens Gier und Nationalismus bedingen. Sie sei "fast nie vom Krieg inspiriert, sondern dem Krieg in mühsamer Weise abgerungen", und während man gegen Fernsehbilder abstumpfe, gäbe es "gegen die Aufschreie der Kunst keine Immunisierung, solange wir noch Gefühle haben." „Desertieren wir also aus der Eintönigkeit des Krieges in die Vieltönigkeit der Kunst", schloss Trojanow.

ERÖFFNUNG DER SALZBURGER FESTSPIELE: HASLAUER/VAN DER BELLEN/SCHMIDAUER

Ein großes "Trotzdem" hatten auch jene Persönlichkeiten formuliert, die vor Trojanow die Rednerbühne erklommen hatten - die neue Festspielpräsidentin Kristina Hammer etwa verurteilte in ihrer ersten Eröffnungsrede die russische Aggression in der Ukraine scharf und beschwor die Kraft der Kunst, Individualiät und Gemeinschaftssinn gleichermaßen zu stärken. Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer forderte, dass es "Platz geben muss für die Freude am Leben" und mahnte, dass es bei der Beurteilung von Kunstschaffenden "keine einfachen Schablonen" geben solle.

Noch konkreter auf die Debatte um russische Kunstschaffende und den bei den Festspielen auftretenden Teodor Currentzis ging Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer ein. "Diesen Krieg fördernde Künstlerinnen und Künstler haben ohne Zweifel keinen Platz im Friedenswerk der Salzburger Festspiele", stellte er klar. "Wenn aber darüber hinaus die Kunst in ihrer Gesamtheit zum Schlachtfeld wird, indem ihre Werke und auch die Künstlerinnen und Künstler stigmatisiert, ja zensuriert werden, nur weil sie aus einem bestimmten Land oder Kulturkreis kommen, hieße das, uns den Kanon unserer europäischen Identität zu nehmen. Das dürfen wir nicht hinnehmen."

Kommentare