Eine Spielzeit im Zeichen von Wahn & Sinn

Die Wohngesinnten
Das Wiener Schauspielhaus widmet sich in der kommenden Saison dem Jahrestag des ersten Weltkriegs.

Darf man das? Aus der Perspektive eines Nazis schreiben? Den Täter als Menschen zeigen? Als Jonathan Littels Roman „Die Wohlgesinnten“ 2006 erschien, löste er nichts weniger als einen Skandal aus. Der jüdische Autor Littel verbindet die fiktive Autobiografie seines Protagonisten, des SS-Obersturmbannführers Max Aue, mit realen Ereignissen des Holocaust.

Der italienische Regisseur Antonio Latella hat das Monumentalwerk nun dramatisiert. Aus dem umfangreichen Wälzer destilliert er die Kernfrage des Bösen in seinem Kontext und schafft Parallelen zur griechischen Tragödie. „Die Wohlgesinnten“ ist auch Titel des letzten Teils der Orestie von Aischylos, in dem die Rachegöttinnen, die Erinyen, den neuen Namen Eumeniden (Die Wohlgesinnten) bekommen, um sie zu beschwichtigen. Diese Verbindung zur Antike ist Ausgangspunkt von Latellas Bearbeitung: Aue wird zum zeitgenössischen Orest, sein Freund Thomas Hauser zu Pylades, der ihn mit dem Grauen bekannt und Maximilians Zwillingsschwester Una zur verzweifelten, inzestuösen Elektra macht.

„Die Wohlgesinnten“ (Premiere ist am 4. Oktober) ist die Eröffnungsproduktion einer Saison, die sich dem Wahnsinn, der aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen ist, widmen will. „Hundert Jahre Wahn & Sinn“ lautet das Motto der Spielzeit 2013/’14 im Schauspielhaus Wien. Zum Ende der Saison, im August 2014, jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal.

Uraufführungen

In den davor liegenden Monaten wird das Schauspielhaus das vergangene Jahrhundert von zeitgenössischer Perspektive aus betrachten. Die elf Produktionen – darunter sieben Uraufführungen – erzählen von dieser Geschichte und davon, wie sie die Gegenwart bestimmt.

Die serbische Autorin Biljana Srbljanovic thematisiert in „Princip – dieses Grab ist mir zu klein“, einem Auftragsstück für das Schauspielhaus, die Umstände des Attentats auf den Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo 1914, einem der auslösenden Momente des Ersten Weltkriegs.

Ausgehend von der unmittelbaren Vorgeschichte des ersten Weltkriegs, der anarchistischen Terrorgruppe rund um den bosnischen Serben Gavrilo Princip, geht sie der Frage des Nationalismus und seiner Auswüchse im heutigen Europa nach. Bis hin zur Ermordung des ersten demokratisch gewählten Regierungsschefs, Zoran Dindić. Premiere ist am 16. Oktober, Regie führt Michal Zadara.Zu Silvester zeigt das Schauspielhaus die deutschsprachige Erstaufführung von „Konstellationen“ von Nick Payne. Ramin Gray führt Regie bei dieser Komödie, die Romantik und Quantenphysik zusammenführt.

Und keine Saison ohne Serie: Stefan Zweigs Jahrhundertroman „Die Welt von gestern“ ist ab 16. Jänner in fünf Teilen an verschiedenen Spielorten im neunten Bezirk zu sehen.

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