Dresdner ohne Thielemann: Zuerst feine Feder mit Lang Lang, dann Klangwucht

Lang Lang meets music students in Las Palmas de Gran Canaria
Die Dirigentinnen Mirga Gražinytė-Tyla und Marie Jacquot sprangen im Musikverein für Christian Thielemann ein (Von Susanne Zobl).
Für seine letzte Tournee mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden, der er seit 2012 und noch bis Juli als Chefdirigent vorsteht, hatte Christian Thielemann den Star-Pianisten Lang Lang eingeladen. Mit ihm wollte er in einem ganz dem französischen Komponisten Maurice Ravel gewidmeten Programm dessen Klavierkonzert in G-Dur, das mit dem Peitschenknall zu Beginn, aufführen. Doch dazu kam es nicht. Gesundheitliche Umstände zwangen Thielemann abzusagen. Die „Dresdner“ absolvieren ihre Tour trotzdem.
 
Das Ravel-Programm übernahm die litauische Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla, eine der viel gefragten Persönlichkeiten ihrer Zunft, die vom Orchester sehr geschätzt wird. 
Das war bereits beim Auftakt, der Orchesterfassung von „Ma mère l’oye“ zu hören. Klar differenziert ziselierte die Dirigentin jede Szene von Perraults Märchenvertonungen wie eine mit feinster Feder präzise gefertigte Zeichnung, ließ asiatisches Flair durch die Musik wehen und gestaltete jedes einzelne Motiv deutlich aus. 
 
Beim Klavierkonzert in G-Dur agierte sie mit dem Pianisten Lang Lang im Einklang, generierte jazzige Passagen, Momente von Laszivität und Frohsinn. Der Virtuose  war bei den furiosen Läufen, gigantischen Trillerketten und den Schwelgereien ganz in seinem Element und wurde nach einer Zugabe zurecht bejubelt. „La Mer“ und „Daphnis et Chloé“ brachte Gražinytė-Tyla mit Tiefsinn zum Schweben. Viele Bravos.
Ein Kontrastprogramm in jeder Hinsicht ließ am zweiten Abend die gebürtige Pariserin Marie Jacquot am Pult der „Dresdner“ erleben. Geballte Klangwucht und Rasanz prägten ihre Lesart von Richard Strauss. Die Tondichtung „Don Juan“ geriet zum Parforceritt, der Zweikampf mutete wie eine Schlacht an. 
 
Bei „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ entfachte Jacquot veritable Klangexzesse. Die Hinrichtungsszene  etwa kostete sie ostentativ mit schweren Akzenten aus. Das muss man mögen. Jacquot ist 1. Gastdirigentin der Wiener Symphoniker, designierte Chefin des WDR-Sinfonieorchesters und übernimmt in der kommenden Spielzeit das Royal Danish Theatre in Kopenhagen. 
 
Den brachialen Schwung, den sie bei Strauss geholt hatte, setzte sie bei der „Vierten“ Brahms fort, was auf Kosten der Klangentfaltung des Orchesters ging. Ordentlich zupackend setzte sie auf Attacken, schwere Akzente und tobte sich bei der Zugabe, einem ungarischen Tanz, von Brahms noch einmal aus. Sehr freundlicher Applaus.

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