"Rosenkavalier": Die Strauss-Musik fehlt

"Rosenkavalier": Die Strauss-Musik fehlt
Die Festspiele Reichenau zeigen Hofmannsthals "Rosenkavalier" als Sprechtheater. An große Oper erinnert der Auftritt von Ioan Holender.

Ja, geht denn das überhaupt? Kann man ein Werk wie den "Rosenkavalier" von Hugo von Hofmannsthal ohne die geniale Musik von Richard Strauss wirklich auf die Bühne bringen? Man kann. Zumindest bei den Festspielen Reichenau, wo Regisseur Hermann Beil seine Fassung der Komödie auf die Theaterbühne stemmt. Und das gar nicht schlecht. Aber so hin und wieder fehlt die Musik dann doch extrem.

Aber der Reihe nach: Als echte "Wiener Maskerad" - so der Untertitel - kommt Hofmannsthals Stück in Reichenau daher. Unverfälscht, direkt, derb, polternd, lyrisch, verhalten, elegisch und in all seiner oft heftigen Komik. Denn Beil spielt ein Spiel mit dem Theater und mit dem Stück. Ein Erzähler (ausgezeichnet: Toni Slama) führt nach einem Prolog durch die Handlung, schlüpft in diverse kleinere Rollen.

Denn Beil hat Hofmannsthals Personal drastisch reduziert; singen darf nur der Tenor (Stefan Vinzberg). Die wunderbare Musik von Strauss - hier bleibt sie bewusst völlig ausgespart. Dabei erzählt Beil mit liebevoller Ironie die gesamte Geschichte. Die Marschallin, die ihren jungen Liebhaber Octavian ziehen lässt, der Baron Ochs auf Lerchenau, der hinter jedem Kittel her ist, der neureiche Herr von Faninal - sie alle haben werkgetreu ihre Auftritte in Peter Loidolts schön reduziertem Bühnenbild.

Und Beil hat für seine gestraffte Version des "Rosenkavalier" in Reichenau grandiose Schauspieler zur Verfügung. An der Spitze: Julia Stemberger als junge, dabei fabelhaft glaubwürdige Marschallin. Ihr großer Monolog über die Zeit, das Altern und das Leben zählt zu einem der Höhepunkte dieser Produktion. Und da ist sie dann plötzlich doch, die Musik, in Stembergers Sprachmelodie nämlich. Und Stemberger spielt hinreißend, formt einen Charakter aus Fleisch und Blut, voller Verletzlichkeit und Größe, treibt einem Tränen in die Augen.

Lachsalven und Holender als Besetzungsgag

"Rosenkavalier": Die Strauss-Musik fehlt

Gleiches macht auch Martin Schwab, aber in anderer Hinsicht. Bei seinem Baron Ochs kommt man aus dem Lachen kaum heraus. Schwab gibt einen herrlich komischen, notgeilen, gierigen, dümmlichen, tapsigen, wehleidigen, hinterfotzigen, aber stets liebenswerten Ochs, den man trotz seiner Ränke ins Herz schließen kann. Eine brillante Leistung des Vollblutkomödianten und glänzenden Charakterdarstellers.

Und das junge Paar? Claudius von Stolzmann zeichnet einen sehr virilen Octavian, der aber auch in Frauenkleidern samt Perücke und falschen Brüsten eine gute Figur abgibt. Schön sein Bestehen auf der Liebe zur Marschallin. Ebenso schön die "Erkennungsszene" mit Sophie. Nanette Waidmann spielt dieses Mäderl als lebenshungrigen und neugierigen Backfisch stilsicher.

Dazu kommen weiters Hanno Pöschl und Gabriele Schuchter als pseudo-italienisches, polterndes Intrigantenpaar, Martina Spitzer als verklemmte Jungfer Marianne und Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender als Herr von Faninal. Ein Besetzungsgag, der aufgeht. Holender ist Faninal und Holender zugleich und erinnert irgendwie auch an große Oper. Und das ist viel wert.

KURIER-Wertung: ***
* von *****

Fazit: Darauf muss man sich einlassen

Werk
Die Oper "Der Rosenkavalier" von Strauss (Musik) und Hofmannsthal (Text) wurde 1911 uraufgeführt. Für die Festspiele Reichenau hat Regisseur Hermann Beil eine eigene, eng an Hofmannsthal angelehnte Fassung erstellt. Leider ganz ohne Musik.

Regie
Sehr souverän und vor allem auf Komik bedacht.

Spiel
Julia Stemberger ist eine hinreißende Marschallin, Martin Schwab ein köstlicher Ochs, Ioan Holender (Herr von Faninal) eine Referenz an große Opernabende.

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