Rosamunde strickt nicht mehr

Rosamunde strickt nicht mehr
Nach 60 Millionen verkauften Büchern und 104 Verfilmungen will die 87-jährige "Queen of Kitsch" Rosamunde Pilcher nicht mehr schreiben.

Zwei glatt – das Garn der Liebe und der Schuld. Zwei verkehrt – das Garn des Hasses und der Sühne. Zwei glatt, zwei verkehrt – das immer gleiche Strickmuster, zur Schau getragen in englischen Naturtönen. Zuverlässige Auslieferung gewährleistet. Der großen Kundschaft gefällt’s.

Der Name Rosamunde Pilcher steht für vieles, nur sicher nicht für nix. 60 Millionen Bücher verkaufte die mittlerweile 87-jährige Autorin weltweit. Daher darf sie sich seit 2002 "Officer of the Order of the British Empire" nennen. Und den British Tourism Award bekam sie auch. Denn die Grafschaft Cornwall, wo Pilcher am 22. September 1924 als Rosamunde Scott geboren wurde (Heirat mit Textilunternehmer Graham Pilcher 1946), ist untrennbar mit ihren Geschichten verbunden.

735 Euro, in der Kategorie "romantisch", kostet etwa die 8-Tage-Rundreise durch den südwestlichen Zipfel des Königreiches, zu buchen bei British Travel Company – der Besuch von Originalschauplätzen als riesiges Geschäft. Um in der Realität zu bestaunen, was das Fernsehen seit mehr als 15 Jahren als Primetime-Bilder liefert.

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Rosamunde strickt nicht mehr

"Die Muschelsucher" hieß die erste Pilcher-Verfilmung. Weitere 103 Quotengaranten folgten. Zuletzt wurde im Jänner "Ungezügelt ins Glück" ausgestrahlt, als Drehbuchvorlage geschrieben von der Tochter eines Marine-Offiziers, die 14 Romane verfasst hat.

Damit ist Schluss. Rosamunde Pilcher, vierfache Mutter, mag nicht mehr schreiben: "Ich bin zu alt, um noch einmal anzufangen zu arbeiten", sagte sie.

Jenen, die in der Bestseller-Autorin nie mehr sahen als eine "Queen of Kitsch", bestenfalls geküsst von der Muse der seichten Kabale, wird’s egal sein. Aber jene, für die raue Felslandschaft und malerisches Inselgrün über die Jahre einen Spiegel der Seele darstellten, werden über die Maßnahme Pilchers not amused sein. Zu vertraut war ihnen – zwei glatt, zwei verkehrt – die Schicksals­belletristik geworden.

Als 15-Jährige begann Rosamunde zu schreiben, in erster Linie Liebesgeschichten für Frauenmagazine. Der Durchbruch gelang Pilcher aber erst 1987 mit der Familiensaga "The Shell Seakers". Von da an wurden die Milieustudien des Landadels zu Buch- und TV-Hits – im Zuge derer geheime Kinder, Jugendlieben, Halbschwestern oder Erbonkeln auftauchten, um Glück und Unglück den Gezeiten auszuliefern.

Jetzt legt Rosamunde Pilcher, nach der sogar eine Rosensorte benannt wurde, die Stricknadeln zur Seite.

An einem Maschen-Phänomen ändert das nichts.

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