Wie überaus erstaunlich demnach, dass bei der Konzertreihe im Musikverein, die am Dienstag feierlich im Jahrestagskonzert mündet, diese Papierform noch deutlich übererfüllt wurde: Frenetischer Applaus nicht zuletzt auch für den Singverein und die Solisten (Julia Kleiter, Marianne Crebassa, Michael Spyres, Günther Groissböck) beendete am Sonntag ein Konzert, bei dem man ein in seiner Geschichte bereits vollends duchinterpretiertes und durchinstrumentalisiertes (politisch, nicht musikalisch) Werk mit dem Liebe-auf-den-ersten-Blick-Gefühl wiederhörte.
Da gab es nicht nur den bei Muti und den Philharmonikern ohnehin fix erwarteten Schönklang. Sondern auch einen aufwühlenden Stop-and-go-Parcours durch jene Art von absoluter Schönheit, die sich in Sichtweite mit dem Schrecklichen zu behaupten weiß.
Schönes Ungetüm
Muti ließ die Neunte als jenes existenzialistische Ungetüm bestehen, das sie eigentlich ist, ein Werk der einander widerstrebenden Blöcke, die nur im allererfolgreichsten Symphonien-Tetris derart glücksbringend ineinanderzufügen sind. Und dazu noch dieser Wohlklang, diese innermusikalischen Fragen, die das Werk bei jeder Gelegenheit an sich selbst stellt, in einer Klarheit, die betörte. „O Freunde, nicht diese Töne“, maßregelte Groissböck wuchtig. Doch, immer diese Töne! Aber ja, man weiß, wieder, was das meint, man hörte das musikalisch und biografisch Endzeitliche mit Ehrfurcht, wenn nicht Schrecken, den Zirkus zum Finale wie eine Erleichterung.
Morgen läuft übrigens der Timer ab: Wir haben das in 200 Jahren nicht geschafft mit dem „Alle Menschen werden Brüder“. Zeit wird’s.
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