TV-Konzert-Event: Mit Beethovens Superkraft quer durch Europa

Petr Popelka dirigiert die Wiener Symphoniker
Zum 200. Jubiläum von Beethovens "Neunter" steigt am 7. Mai ein Vier-Städte-Konzertereignis auf Arte und ORFIII.

4 Städte – 4 Sätze heißt es am Dienstag im Kulturfernsehen.  Arte überträgt zum 200. Jubiläum Beethovens „Neunte“ live zeitversetzt ab 21.35 Uhr aus Leipzig, Paris, Mailand und Wien. ORFIII ist Teil des internationalen Projekts.

„Jeder wollte den vierten Satz haben“, sagte ORF-III-Geschäftsführer Peter Schöber bei der Präsentation in Wien. Daher freue es ihn besonders, dass dieser aus dem Wiener Konzerthaus beigesteuert wird (ab 20.15 Uhr auf ORFIII). In 110 Jahren Konzerthaus erklang die Symphonie bereits an die 300 Mal.

Auch wenn es ein G’riss um den berühmten finalen Satz nach Schillers Ode „An die Freude“ gab, wird mit dem Projekt freilich das „Alle Menschen werden Brüder“ betont. Kultur besitze  die „Superpower“, Menschen zusammenzubringen,   schwärmte Konzerthaus-Chef Matthias Naske von der europäischen Dimension des Projekts. Das gelte insbesondere  vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und des Nahost-Konflikts.

Diese Superkraft beschwören die europäischen Institutionen bereits seit den 1970er-Jahren. Am 19. Januar 1972 nahm der Europarat die Melodie aus Satz IV als eigene Hymne an und beauftragte Herbert von Karajan mit dem Arrangement. 1985 wurde dieses als offizielle Hymne der Europäischen Union angenommen. Sie muss allerdings ohne Worte auskommen, da die Verwendung einer Sprachversion ein EU-Mitglied bevorzugt hätte. 

 

Stimmen

Der vierte Satz nimmt  gerade durch seine Gestaltung als Konzertkantate einen singulären Rang unter der sonst rein orchestral geprägten Gattung Symphonie ein. Am 7. Mai singen Rachel Willis-Sørensen (Sopran), Tanja Ariane Baumgartner (Mezzo), Andreas Schager (Tenor) und Christof Fischesser (Bass) die Solopartien, den berühmten Chor-Part, der mit „Freude, schöner Gotterfunken“ seinen Höhepunkt findet, übernimmt die Wiener Singakademie unter der Leitung von Heinz Ferlesch. 

Mit dem Dirigat der Wiener  Symphoniker wurde mit Joana Mallwitz ursprünglich der weibliche „Rising Star“ der Szene, so Schöber im Februar,  betraut. Doch Mallwitz musste  vergangene Woche wegen einer Erkrankung absagen. Als Einspringer wurde der Tscheche Petr Popelka präsentiert. Er ist der designierte Chefdirigent der Symphoniker.

Das Konzerthaus betonte, dass man den vierten Satz bewusst „prominent und weiblich“ besetzt hatte, daher habe man „im Interesse des Erhalts dieser bildgebenden Planung“ zahlreiche Dirigentinnen angefragt, jedoch sei keine der 20 Dirigentinnen verfügbar gewesen. Die Besetzung in den anderen drei Metropolen bleibt gleich: Das Gewandhausorchester Leipzig mit Andris Nelsons, das Orchestre de Paris unter Klaus Mäkelä sowie das Orchestra del Teatro alla Scala in Mailand mit Riccardo Chailly.
In der Arte-Doku „Die Macht der Musik“ (7. Mai, 20:15) ist Mallwitz allerdings zu sehen. Am Klavier erklärt sie „packend den Aufbau des letzten Satzes“, schreibt Arte. Die Sendung zeigt zudem, dass in der 200-jährigen Geschichte des Werks  auch Hitler und Stalin die Superkraft der  „Neunten“ für sich nutzen wollten. 

Vielleicht hatte Beethoven so etwas schon befürchtet, indem er den einleitenden Bariton-Part so beginnen ließ: „O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere.“

Dies ist auch in der heutigen Welt der Social Media ein durchaus ernstzunehmender Anspruch.

Der ORF begnügt sich zum 200. Geburtstag der 9. Symphonie Beethovens nicht mit der Konzertübertragung aus dem Wiener Konzerthaus bzw. der Beteiligung an dem länderübergreifenden Arte-Projekt (siehe oben). Am 7. Mai wird zur Einstimmung auf die live zeitversetzte Übertragung der kompletten Symphonie auf ORF III die Kurzdoku „Beethovens Neunte – Der Countdown läuft“ (20 Uhr) gezeigt. Zudem steht eine zweite hochkarätige Aufführung der „Neunten“ durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Riccardo Muti aus dem Wiener Musikverein auf dem Programm. Diese ist am 7. Mai auf Ö1 (19.30 Uhr) zu hören und am 9. Mai, dem Europatag, um 22.20 Uhr auf ORF 2 zu sehen.

Außerdem zeigt ORF 2 am 9. Mai (21.15 Uhr) die neue Dokumentation „Beethovens Neunte und das Kärntnertortheater – Ein musikalischer Krimi“ rund um die Entstehung und Uraufführung des ewigen Klassikhits. In einer detektivischen Reise werden die historischen Pläne und Dokumente des Theaters von 1708 gesucht, um es digital wieder aufzubauen (auch heute, 8.35 Uhr im WDR).

Am 5. Mai um 22.45 Uhr zeigt Arte „Beethovens Neun – Ode an die Menschlichkeit“. Filmemacher Larry Weinstein stellt sich darin die Frage, was die Menschheit in den zweihundert Jahren seither erreicht hat.

Ein Tipp aus der ORF-Mediathek (noch bis heute Abend verfügbar), weil bereits auf ORFIII gesendet: „Beethoven: Die Zehnte – Wie hätte es weitergehen können?“ Der Film von Hannes M. Schalle gibt Einblicke in ein spannendes Projekt, das anlässlich des 250. Geburtstages van Beethovens im Jahr 2020 initiiert wurde. Aus den 40 Skizzen, die der Komponist zu seiner 10. hinterließ, wurde mithilfe von KI eine vollständige 10. Symphonie

Wer von der „Neunten“ gar nicht genug bekommen kann, wird von der ARD am Jubiläumstag, dem 7. Mai, ab 0.00 Uhr mit einer Aufnahme aus Tokio versorgt. Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks führten das Werk – neben den anderen acht Beethoven-Symphonien – in der legendären Suntory Hall auf. tem

Kommentare