Ihr Film konzentriert sich auf die Zeit in Neapel bei SSC Napoli zwischen 1984 und 1991. Warum?
Kapadia: Maradona hat ein sehr komplexes Leben. Wir haben uns alles angeschaut: Seine komplett verarmte Jugend in Argentinien, seine Zeit in Barcelona, in Neapel und was danach kann. Es gibt unglaublich viele Dramen, Erfolgsgeschichten und Niederlagen – einmal ist er für alle der Weltstar, dann läuft wieder alles schief. Aber während der Arbeit bekam ich das Gefühl, dass Maradonas Zeit in Neapel das Herzstück des Filmes ist. Er befand sich an einem Tiefpunkt und bewegte sich zur Spitze: Damals waren sich alle darin einig, dass Maradona während der Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko der beste Spieler der Welt war. Er spielte in einem Team, das bis dahin noch nie gewonnen hatte und danach nie wieder gewann. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass es einen Diego vor und einen Maradona nach der Weltmeisterschaft gibt – mit vielen privaten Problemen und seiner Drogensucht. Er wurde zu einer Ikone hochstilisiert und das hat ihn verändert.
Hat Maradona Sie bei Ihrem Filmprojekt unterstützt oder gab es Einschränkungen?
Chris King: Wir hatten absolute Freiheit. Maradona war in allen Gesprächen offenherzig und hat nichts vorenthalten.
Kapadia: Das stimmt. Diego hatte Freundschaften, die sich dann in Feindschaften verwandelten, und es gibt Menschen, mit denen er heute nicht mehr redet, die aber wichtig sind. Wir haben mit allen gesprochen.
Maradona steht mehr als Mensch und gar nicht so sehr als Fußballer im Mittelpunkt Ihrer Doku.
Kapadia: Das war eine Entscheidung, die wir getroffen haben: Wir wollten eine sehr persönliche Geschichte über Maradonas Leben erzählen und nicht eine über seine Fußballkarriere. Ich habe etwa von seinem Umfeld erfahren, dass er ein sehr guter Teamspieler war und von allen geliebt wurde: Obwohl er der Star war, hat er sich immer um die anderen gekümmert. Außerdem wurden in den 80er-Jahren die Spiele nicht so genau dokumentiert: In Italien gab es gerade mal eine Kameraeinstellung von einem Spiel.
King: Ursprünglich hatten wir mehr Material von seinen Teamkollegen, wie beispielsweise Cira Ferrara, ein Mitspieler, der gar nicht glauben konnte, dass er plötzlich mit einem Superstar trainierte. Er sprach viel über die Kameradschaft, die es gab. Allerdings haben diese Erinnerungen von Diego abgelenkt, und daher haben wir sie weggelassen. Wir wollten uns auf seine Persönlichkeit konzentrieren.
Maradona unterhielt Beziehungen zur Mafia. War er sich der Gefahren bewusst?
King: Nein. Es hat ihn amüsiert und er hat die Vorteile, die er durch diese Bekanntschaften bekam, genossen – bis diese Beziehungen erkalteten. Ich glaube nicht, dass ihm das Ausmaß ihrer dubiosen Geschäfte klar war. Für ihn waren das Männer, die sich so wie er aus armen Verhältnissen hochgearbeitet hatten.
Was haben Sie für einen Eindruck von dem „heutigen“ Maradona? Ist er verbittert?
Kapadia: Das kommt drauf ein. Es beginnt damit, dass es gar nicht so leicht ist, ihn überhaupt zu treffen. Er ist immer irgendwo anders. Dann hängt es von seiner Tagesverfassung ab. Wenn er gut gelaunt ist, ist er charmant, witzig und ein guter Geschichtenerzähler. Dann ist er mehr Diego. Aber dann gibt es auch Tage, da ist er schwieriger – und dann ist er mehr Maradona.
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