Regisseur Houchang Allahyari: "Integration darf keine Einbahnstraße sein"

Regisseur Houchang Allahyari: "Integration darf keine Einbahnstraße sein"
Der Regisseur und Psychiater im Gespräch über seinen neuen Film „Goli Jan“, der von zwei jungen Menschen handelt, die aus Afghanistan flüchten.

von Gabriele Flossmann

Mit seinem Film „Geboren in Absurdistan“ gelang Houchang Allahyari 1999 ein wunderbar groteskes Lehrstück über Abschiebung, Ignoranz, Menschlichkeit und Elternliebe. Das Thema Flucht war und ist für Allahyari, der im Februar dieses Jahres seinen 80. Geburtstag feierte, stets integraler Bestandteil seiner Arbeit. So wie auch die Psyche der Menschen und deren Suche nach Zugehörigkeit. In seinem aktuellen Film „Goli Jan“ greift Allahyari das Flüchtlingsthema wieder auf. Diesmal nicht zwischen Österreich und der Türkei, sondern zwischen Afghanistan und dem Iran.

In Afghanistan traut keiner dem anderen, die Taliban scheinen alles zu infiltrieren. Der Spielfilm folgt dem Alltag von Menschen in Kabul – wie etwa einem 17-jährigen Burschen, der sich mit Besorgungen für – vorwiegend ältere – Frauen über Wasser hält. Wenn er einkaufen geht, meidet er belebte Plätze. Als die Taliban versuchen, ihn für ihren Kampf zu rekrutieren, entschließt er sich, in den Iran zu fliehen.

Auf dringliches Bitten eines 16-jährigen Mädchens, das nach der Ermordung ihres Vaters durch die Taliban zwangsverheiratet werden soll, nimmt der junge Bursche sie auf die gefährliche Flucht mit. Geradezu erstaunlich ist es, wie es dem Filmemacher gelingt, diese dramatische Geschichte auch unterhaltsam und mit leisem Humor zu erzählen.

Houchang Allahyari, 1941 in Teheran geboren, kam in den 1960er-Jahren nach Wien um Medizin zu studieren. Seither arbeitet er hier als Neurologe und Psychiater. Durch seine Arbeit in einer Strafanstalt lernte er die therapeutischen Möglichkeiten des Mediums Film kennen und schätzen. Diese Erfahrungen fließen seither in sein künstlerisches Schaffen ein. Wie etwa den Film „I love Vienna", in dem er - mit viel Humor, aber auch Empathie - das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen thematisierte. Auch in „Höhenangst“ steht das Schicksal von Flüchtenden und Migranten im Mittelpunkt.

Den Österreichischen Filmpreis erhielt Houchang Allahyari 2009 gemeinsam mit seinem Sohn Tom Dariusch Allahyari für den Dokumentarfilm „Bock for President", der Ute Bock und ihr Engagement für Flüchtlinge und Asylwerber sowie in den Mittelpunkt stellt. Sein neuer Film, in dem er höchst interessante Einblicke in das Leben in Afghanistan und die Gefühle von Flüchtlingen gibt, ist derzeit in den Kinos zu sehen. Das Metro-Kino zeigt eine Retrospektive aller Filme von Houchang Allahyari.

KURIER: Sie sind im Iran geboren, aber längst ein Österreicher und hierzulande als Psychiater und als Filmemacher erfolgreich. Was hat Sie dazu bewogen, sich filmisch wieder dem Iran anzunähern?

Houchang Allahyari: Ich kam Ende der 1960er Jahre nach Wien, um hier Medizin zu studieren. Danach war ich jahrzehntelang nicht mehr im Iran. Als dann nach meinem Film „I Love Vienna“ (Anm.: 1991) mein iranischer Hauptdarstelle, der Regimekritiker Fereydoun Farokhzad, ermordet wurde, hatte ich schon gar keine Lust mehr. Die Hintergründe seiner Ermordung wurden nie aufgeklärt. Vor etwa vier Jahren meldete sich ein iranischer Journalist bei mir, weil er eine Retrospektive meiner Filme in Teheran organisieren wollte. Er hat mich überredet, nach langer Zeit wieder dorthin zu reisen. In dieser Zeit entstand meine Doku „Rote Rüben in Teheran“, eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Land, aus dem ich ursprünglich komme. Teheran ist zweigeteilt. In Nord-Teheran leben die reichen und sehr westlich orientierten Menschen und im südlichen Teil sind die Armen und Ärmsten zu Hause. Während meiner Dreharbeiten dort habe ich sehr viele Afghanen kennengelernt, die meist als Flüchtlinge illegal in Teheran leben. Ich wurde in viele dieser Familien eingeladen und die Menschen haben mir ihre Lebens- und Fluchtgeschichten erzählt.

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