In der „Entführung“ spielt in der Gestalt des Bassa Selim auch das Thema Macht eine große Rolle . . .
Wie in „Lucio Silla“, den ich vor ein paar Jahren inszeniert habe. Doch dort verzichtet der Herrscher letztlich auf seine Macht, weil er erkennt: Macht bekommt mir nicht, Macht macht mich mies, verdirbt mich. Und er beendet seine Diktatur. Das scheint mir ein Anklang an Bassa Selim zu sein, der sich lieber anderen Themen widmet. Den Fragen: Was kann ich in diesem Diesseits machen? Wie kann ich mich verhalten? Wie zu den anderen? Wie kann ich glücklich werden? Und natürlich den Fragen über Liebe und Tod. Das ist alles in Mozarts Musik. Die pure Lust an der Verzückung, an der Verzauberung – da kann Richard Wagner nicht mit. Bei Wagner ist diese Verzückung, diese Verzauberung so aufgemöbelt, bei Mozart ist das ganz zart, aber mit einer gewaltigen Wirkung.
Bleiben wir bei der Macht: Wäre es ein guter Ratschlag an heutige Politiker, diese einmal in ihren Überlegungen hintanzustellen?
Ja, das wäre ein sehr guter Ratschlag. Aber die meisten Politiker fühlen sich ja nur wohl mit viel Macht. Ich finde Macht immer schwierig. Das habe ich auch in meinen fünf Jahren als Intendant der Berliner Volksbühne erlebt. Da musste ich mir immer vorsagen: Ich bin ja der Intendant. Das hat nicht geklappt, schon im Kleinen nicht. Mein Hund – wir hatten damals einen Bobtail – ist immer zu den Arbeitern gegangen. Er hat Butterbrote erbettelt. Und wir hatten da einen Paternoster. Also ist mein Hund auf-und abgefahren und oft auch in die Kantine getrabt, wo er das Ganze auch gemacht hat. Irgendwann hat der Betreiber gefragt: ,Herr Neuenfels, dürfen wir für Ihren Hund endlich einen Rechnungszettel anlegen?’ Ich habe darauf nur gesagt: ,Schreiben Sie es auf!’ Macht hat in mir nie etwas bewirkt, was ich tun wollte. Das war vielleicht ein Fehler.
Zurück zur „Entführung“. Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihre Arbeit in Wien und auf das Theater generell ausgewirkt?
Wir haben teils mit Masken geprobt, sie aber schnell wieder abgelegt. Durch die Tests und durch das gegenseitige Vertrauen ist das keine Corona-Inszenierung. Für das Theater ist das generell eine sehr tödliche, unsinnige Zeit. Wenn Theater jetzt Abstände machen muss, wird es zum totalen Widerspruch dessen, was es sein soll. Das Theater lebte immer davon, dass es Nähe schafft, dass es fast brutale Herausforderungen an Gefühle, an Überwältigungen hervor zwang. Sämtliche Corona-Fassungen verzerren alles. Man macht keine Pausen, singt nur eine Arie, man spielt Gustav Mahler mit nur ein paar Instrumenten, man bringt bloß Monologe auf die Bühne, nur damit etwas stattfindet. Nein, danke, dann lege ich mir doch eine Schallplatte oder eine CD auf. Und lesen kann sich selbst! Ich finde solche Unterfangen unnötig. Und wenn ich als Steuerzahler an die Kosten denken würde, dann ist das alles ein bisschen in Frage gestellt.
Was würden Sie sich für die Zukunft des Theaters nach der Pandemie wünschen?
Das Theater müsste wieder eine höhere Radikalität erreichen. Nicht im rein gesellschaftlichen Sinn für ein Abo-Publikum. Das Theater müsste notwendiger für die Menschen werden, müsste ein absoluter Brennpunkt sein!
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