Regierungskrise im Fernsehen: Kalte Reporter, grantige Minister

Regierungskrise im Fernsehen: Kalte Reporter, grantige Minister
TV-Kritik: Live-Einstiege und Statements, in denen nichts zu berichten war. Aber wir waren dabei.

Tag der Angelobung? Nein! Tag der Regierungskrise. Wenn die nächste Wahl verloren geht, kann man vielleicht Tage wie den gestrigen in Erinnerung rufen: Eine Limousine nach der anderen fuhr ins Kanzleramt, draußen froren die Reporter und lieferten den diversen Ausgaben der "Zeit im Bild" Live-Einstiege, in denen nichts zu berichten war.

In der "Zeit im Bild" um 19.30 Uhr fasste Rainer Hazivar das Thema in seiner Anmoderation recht nüchtern zusammen (man hätte die Berichterstattung an dieser Stelle auch vollinhaltlich für abgeschlossen betrachten können): "Neustart oder Neuwahl ist ja oft die Frage. Die Stimmungsschwankungen in der Koalition lassen da ja fast jeden Tag eine andere Antwort zu. Jetzt gerade wird über das neue Arbeitsprogramm verhandelt. "

Blöde Ideen

Ein ORF-Reporter ahnte schon, dass die Nacht lange wird und versuchte, das Staatsoberhaupt auf blöde Ideen zu bringen. Die Regierung bietet dem neuen Bundespräsidenten ja formal ihren Rücktritt an, den dieser noch nie angenommen hat. „Haben Sie Angst, dass der Bundespräsident wirklich ihren Rücktritt annimmt?“, fragte der ORF-Mann Bundeskanzler Christian Kern. „Ich bin wirklich furchtlos“, lachte der ins Mikro. Und Alexander Van der Bellen ließ die Pointe ungenützt verstreichen: Die nicht abgelöste Regierung wanderte also wieder zurück auf den Ballhausplatz, um alleine weiter darüber zu streiten, ob es sie noch geben soll.

Regierungskrise im Fernsehen: Kalte Reporter, grantige Minister
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner legte hermeneutische Brotkrumen für Feinspitze in der Wählerschaft: „Es ist so: Einigung gibt’s dann, wenn eine Einigung da ist. Entweder ist dann alles fix oder goar nix fix und an dem arbeiten wir. Und ich bin zuversichtlich, dass wir da auch ein Ergebnis zustande bringen.“ Na dann.

"Es herrscht ja heute reges Treiben hier"

Der erste Liveeinstieg kam Claudia Dannhauser zu, die erklärte: "Es herrscht ja heute ein reges Treiben hier auf dem Ballhausplatz. Er gibt ein Kommen und gehen von Ministern und auch die Sozialpartner sind da wie wir gesehen haben." Außerdem bließ der Wind und man wusste immer noch nicht, ob und warum es die Regierung noch weiter gibt, auch wenn man sich in Sachfragen doch näher kam, wie Dannhauer zu berichten wusste. "Derzeit schaut es so aus, als könnte man sich noch einmal zusammenraufen. Es wird auch ventiliert, dass man morgen Vormittag vielleicht schon zu einem Ergebnis kommen könnte. Dann ein paar Minuten, paar Stunden ist man wieder etwas vorsichtiger. Solchen Verhandlungen liegt eben eine gewisse Dynamik inne und man wird warten müssen, wie es morgen ausschaut. Momentan sehen es beide Parteien eher optimistisch."

"Bleiben wir abwartend", schloss Hazivar. War eine gute Idee.

"Ich sag' Ihnen da gern nachher mehr"

Nächste Nachrichtensendung: ZIB 2, 22.00 Uhr. Reporter: Sind sie hoffnungsfroh, dass Sie sich näher kommen? Sebastian Kurz: „Ich komm' grad zu den Verhandlungen. Also ich sag' ihnen da gern nachher mehr.“

Muna Duzdar: „Wir möchten da Bewegung hineinbringen. Wir haben glaube ich lange genug geredet, lange genug verhandelt. Und heute geht es darum, sich auf konkrete Maßnahmen zu einigen. Und das werden wir jetzt tun.“

Sobotka:„Ich gehe jetzt verhandeln und dann kann ich Ihnen was sagen, ja?“

Doskozil: „Also es gibt sehr gute Gespräche, auch sehr gute Vorgespräche. Ich glaub die Verhandlungen laufen in diesem Bereich sehr gut und für mich ist eines klar: Wir müssen die illegale Migration stark reduzieren und auf diesem Weg werden wir sicher einige Maßnahmen vereinbaren und ich glaube das läuft ganz gut.“

Leitl: „In Österreich, in diesem kleinen Land geht’s nur miteinander und nie gegeneinander.“

„Haben Sie nach diesen Gespräch das Gefühl, dass das was werden kann?“, fragt der Reporter: „Ich habe das Gefühl, dass das was werden kann, ja.“

"WAS DENN?", hört man den Nachbarn entnervt den Fernseher anschreien. Später ertönt die Melodie von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus".

Irgendwas herauslesen

Ein sehr verfrorener ORF-Mann meldet sich noch einmal live und liest aus den vorangegangenen Statements so etwas wie Optimismus raus (wohl um irgendetwas herauszulesen). "Im Detail ist aber doch immer sehr viel zu verhandeln. Es gibt die Absicht. Man wird sehen, ob sich das ausgeht bei den vielen Fragen."

Vor dem Kanzleramt bleibt währenddessen ein Taxi stehen. Keiner steigt aus. Sicher nicht die schlechteste Idee dieses Abends.

Heute früh wusste man zumindest schon, dass gestern Nacht noch alle grantig waren, aber sowohl Einigung als auch die Regierungsimplosion auf später verschoben wurden. Sehr treffend fasste das Peter Teubenbacher in der 6.00-Uhr-ZiB zusammen: "Wir schreiben den 27. Jänner 2017 und das nächste Kapitel im Versuch, die österreichische Bundesregierung zu retten."

Weiter im Text: "Man sucht also weiter nach Gemeinsamkeiten, auf die man die künftige Zusammenarbeit aufbauen kann. Mit aufs erste eher menschlichen Ergebnissen: Blanke Nerven nach einem langen Arbeitstag", sagt der Mann im Studio. "Wie schaut’s aus?", hört man einen schlaftrunkenen Reporter fragen. Mitterlehner ruft zornig vom Halbstock herauf: "Wann man net fertig san, wer ma net sehr vü sogn."

Nächster Kandidat, nächste Frage: "Was sind die Punkte, wo es Konsens gibt?" Doskozil schweigt schnaufend und geht weiter.

Ende der Geschichte.

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