Regierung: Runder Tisch zum dünnen Eis
*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*
Die Regierung lebt, die Gewässer sind gefroren. Zeit zu fragen: Wie tragfähig ist das Eis, auf dem SPÖ und ÖVP bis zur nächsten Wahl überwintern wollen? Der "Runde Tisch", mit neuer Moderatorin Patricia Pawlicki, bot eine vielsagende Beschau von Befindlichkeiten. Geladen waren Andreas Schieder (SPÖ), Reinhold Lopatka (ÖVP), Heinz-Christian Strache (FPÖ), Eva Glawischnig (Die Grünen), Matthias Strolz (NEOS), Robert Lugar (Team Stronach).
Den Beginn durfte Strache machen. Quasi zum Aufwärmen fragt Pawlicki ihn, ob er auch Positives am Regierungsübereinkommen erkennen könne.
Strache saugt Sauerstoff ein wie ein Airbus vor dem ersten Testflug.
„Naja.. Es ist einmal grundsätzlich der gefühlt hunderste Neustart, den wir unter Rot-Schwarz erleben.“
Dabei versucht der FPÖ-Chef, zu jeder einzelnen Silbe mit dem Kopf zu wackeln.
„Haben Sie es durchgelesen? Können Sie etwas Gutes erkennen?“
Erste Sachfrage, 100 mögliche Punkte.
„Es gibt Bereiche, wo man sagen kann, das geht in die richtige Richtung. Teilweise nicht weit genug."
"Welches Stichwort?"
„Stichwort. Die kalte Regression..."
An dieser Stelle beginnen auf Twitter die ersten Journalisten zu gackern, wohl um die Definition für Regression (den psychologischen Rückfall ins Kinderalter) anschaulich zu machen.
Strache hingegen korrigiert sich in der Sekunde: "...die kalte Progression. Hier dafür Sorge tragen, dass die stille Enteignung abgewendet wird."
Glawischnig: „ Ich habe den Eindruck gehabt, Christian Kern wollte Neuwahlen und ist an welchen Widerständen auch immer in der eigenen Partei gescheitert[...] Für Österreich ist das schon positiv, wenn einmal eine Regierung das macht, wofür sie eigentlich da ist, nämlich zu regieren und zu arbeiten..“
ÖVP-Klubchef und Chefzündler Lopatka lässt seine Mimik erbarmungswürdig hängen. Man kann nur mutmaßen, ob er traurig ist, weil Glawischnig einen guten Punkt gemacht hat, oder weil es noch immer keine Neuwahlen gibt.
Matthias Strolz beginnt mit pinken Satzgirlanden von grundlegenden Reformen „...papierlt werden von denen.."
Schieder schüttelt den Kopf.
Lopatka schüttelt den Kopf. Oder der ihn.
Lugar von der parlamentarischen Selbsthilfegruppe "Team Stronach" wird angesprochen. "Sie haben in der Früh von einer großen und schweren Ehekrise geredet und dann in der ,ZiB' wesentlich positvier geredet. Was stimmt da jetzt?", will Pawlicki wissen.
Lugar, der mit einem Krawattenknoten in der Größe einer Maurerfaust dasitzt, versucht sich mit alternativen Fakten: "Na es stimmt beides." Ein paar Sätze später verschwindet er wieder hinter der Krawatte.
"Nicht nur ich, sondern auch alle unsere Abgeordneten werden das tun." Lopatka beginnt, siegessicher die Titelseite einer Zeitung in die Kamera zu halten, auf der sinngemäß steht, die Regierung habe ÖVP-Positionen mitbeschlossen. Offenbar hat ihm keiner gesagt, dass die ÖVP eh auch in der Regierung sitzt.
„Ehekrise“, murmelt Lugar hinter seiner Krawatte hervor.
Pawlicki hat nun offenbar Lust daran gefunden, Lopatka weiter zu quälen: "Würden Sie sagen, dass Reinhold Mitterlehner jetzt gestärkt ist in der Partei?"
Der ÖVP-Klubchef lächelt, als müsste er gerade diskret eine tote Maus schlucken. „Die ÖVP ist gestärkt und die Regierung ist gestärkt.“
Ein strahlender Schieder ist am Wort: „Es ist ein Programm für Österreich. Es sind damit zwei wichtige Dinge beantwortet Neuwahlen sind vom Tisch…“
Lopatka senkt den Blick: „Mhm.“
„…und 2017 wird das Jahr der Arbeit und der Umsetzung.“
Strache saugt wieder Luft ein: „Na grundsätzlich glaub ich muss man alles, was da jetzt in diesem Arbeitspapier zusammengefasst wurde, dann an der legistischen Umsetzung messen. Und bis dorthin bleibts ein Papier, das da oder dort vage ist, nicht einmal ausformuliert ist und ma ois mögliche hineninterpretieren kann. Also die legistische Umsetzung wird dann auch die Nagelprobe sein.“ Herbert Kickl lässt dann noch irgendeinen Witz von einer Apollo-Mission und einem Mondflug ausrichten, den Strache beim Erzählen eher versemmelt.
Ein paar Sätze später verschwindet er wieder hinter der Krawatte. Neben ihm wirkt Strache plötzlich besonnen wie Heinz Fischer.
516.000 Zuseher waren dran. 27 Prozent Marktanteil. Pawlicki machte eine gute Figur, die Diskutanten blieben zivilisiert. Insofern: Plan A ist aufgegangen. Zumindest im Fernsehen.
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