Toter Mann, gebrochenes Herz

Zur ARTE-Sendung Tote schlafen fest 2: Privatdetektiv Philip Marlowe (Humphrey Bogart) wird bei seinen Nachforschungen immer mehr in eine Mordaffäre verwickelt, deren Hintergründe er noch nicht durchschaut. © ARD/Degeto Foto: ARD Honorarfreie Verwendung nur im Zusammenhang mit genannter Sendung und bei folgender Nennung "Bild: Sendeanstalt/Copyright". Andere Verwendungen nur nach vorheriger Absprache: ARTE-Bildredaktion, Tel.: Carine Haggiag +33 3 88 14 21 37 und Silke Wölk +33 3 88 14 22 25, E-Mail: bildredaktion@arte-tv.com
Mit Philip Marlowe schuf Raymond Chandler den einsamsten Ermittler der Welt.

Philip Marlowe war der Prototyp des scheinbar hartgesottenen, melancholischen Detektivs: Sein Schöpfer Raymond Chandler wäre heute 125 Jahre alt geworden.

Ermittler Marlowe trat als zynischer Einzelkämpfer stets als Icherzähler auf, im Sumpf aus Korruption, Verbrechen und Lügen watend. Einer, der zu viel Whiskey trinkt und, obwohl vom Leben und der Liebe enttäuscht, nie aufgibt. Ein einsamer Wolf, der sich vor allem seinem persönlichen Moralkodex verpflichtet fühlt. Marke: „In dieser Stadt gibt es zu viele Waffen und zu wenig Hirn.“

Am besten, man fährt nach Hause und macht sich ein paar Drinks.

Dackelblick

Kein anderer verkörperte den abgebrühten Schnüffler mit Dackelblick so genial wie Humphrey Bogart in „The Big Sleep“, Howard HawksVerfilmung von Chandlers 1939 erschienenem ersten Marlowe-Roman.

Mit Drehbüchern für Hollywood-Klassiker wie „Frau ohne Gewissen“ feierte Raymond Chandler Erfolge. Doch er wollte sich nicht von Studio-Bossen einengen lassen und kehrte zu seinen Krimis zurück. „Lebwohl, mein Liebling“, „Das hohe Fenster“, „Die Tote im See“, „Die kleine Schwester“, „Der lange Abschied“ und „Spiel im Dunkel“, heißen die Romane des Autors, der sein Lebtag unter dem schlechten Leumund von Krimis litt.

Chandlers Leben liest sich spannend wie seine Romane. Was keine Auszeichnung ist. „Mögest du in interessanten Zeiten leben“ lautet eine chinesische Verwünschung.

Chandler wurde am 23. Juli 1888 in Chicago geboren, wuchs bei seiner alleinerziehenden Mutter in London auf, besuchte als ausgezeichneter Schüler Schulen in England und Frankreich, schaffte die Aufnahmeprüfung für den britischen Staatsdienst. Ein halbes Jahr hielt er es im britischen Marineministerium aus. Er arbeitete als Journalist, schrieb Reportagen, Rezensionen, Gedichte.

1912 kehrte er in die USA zurück und landete in Kalifornien, wo er sich unter anderem als Obstpflücker verdingte. Als Buchhalter in einer Molkerei in Los Angeles lernte er seine spätere Frau, die noch verheiratete, 18 Jahre ältere Cissy Pascal, kennen. 1917 kämpfte er als Freiwilliger in der kanadischen Armee im Ersten Weltkrieg, kehrte 1919 als einziger Überlebender einer vernichteten Einheit zurück nach Kalifornien. Bis 1932 ging er verschiedenen Beschäftigungen nach, war unter anderem Direktor mehrerer Ölgesellschaften, bevor er sich dem Verfassen von Kriminalgeschichten widmete.

1924 heiratete er Cissy, nach deren Tod 1954 er zum Alkoholiker wurde und versuchte, sich unter der Dusche zu erschießen. Er starb am 26. März 1959 in Kalifornien.

Gebrochenes Herz

Chandlers vielleicht schönster Roman ist sein vorletzter, „Der Lange Abschied“ (1953): Eine Geschichte über den Verlust von Illusionen, Freundschaften, über die Vereinsamung. Marlowe glaubt weiter an das Gute: „Ich bin ein Romantiker … ich höre manchmal nachts Schreie und dann gehe ich nachsehen, was los ist. Dabei verdient man keinen Penny. Wenn man noch seine fünf Sinne zusammen hat, macht man das Fenster zu und dreht den Fernseher lauter.“

Chandler galt als einer, dem als Autor viel, im Leben wenig gelang. Doch auch er war, wie sein Romanheld, ein Romantiker. „Ein toter Mann ist schwerer als ein gebrochenes Herz“, ein Zitat aus „Der große Schlaf“, ist auf seinem Grabstein eingraviert. Er wurde, das war sein letzter Wunsch, mit seiner Frau Cissy begraben.

Kommentare