"RAF Camora ist Headliner beim diesjährigen Donauinselfest". Diese "frohe Botschaft" wurde vergangenen Freitag auf vielen von ORF-Mitarbeitern gefütterten-Plattformen verkündet. In einigen ORF-Radios wurde dieser Meldung sogar ein Platz in den Nachrichten eingeräumt. Auch die „Wien heute“-Redaktion war davon sehr angetan: „Er ist nicht nur ein Superstar, nein, für viele, vor allem jüngere Wiener ist er DER Superstar“, kündigte der Moderator Lukas Lattinger den TV-Beitrag über den Hip-Hopper aus Rudolfsheim-Fünfhaus (1150) an, der nach 20 Jahren auf die Insel zurückkehre – im Gepäck sein neues Album „XV“, das am 23. Juni veröffentlicht werden soll.
Gezeigt wurde dann auch das von RAF Camora über seinen Instagram-Account (mit rund 1,8 Millionen Followern) verbreitete Video: Darin spricht er aus Ibiza zu seinen Brüdern und Schwestern: Es sei sein zweiter Auftritt beim Donauinselfest: „Vor 20 Jahren bin ich dort vor vier Menschen aufgetreten“, sagt der seit Jahren die Charts stürmende Rapper, der vor Jahren auszog, um in Deutschland seiner Karriere auf die Sprünge zu helfen. Nun kehrt der „verlorene Sohn“ zurück auf seine Donauinsel, die er, wie er in dem Video angekündigt hat, „zerfetzen“ wird. Das Beste daran sei, dass der Spaß gratis ist. So weit, so super. „Beste Leben“, wie RAF Camora dazu sagen würde.
Oder doch nicht ganz?
Eine gute Sache
Nun ja, für RAF Camora ist das sicherlich eine super Sache. Er selbst kann auch nichts dafür, dass er auf der „falschen“ Bühne auftreten wird, denn er wird am Freitagabend beim Donauinselfest (23. Juni) nicht auf der Ö3-Bühne stehen, sondern auf der Bühne des heimischen Alternative-Jugendradiosenders FM4, der nicht gerade dafür berühmt ist, dass er viele Songs des Musikers in Heavy-Rotation spielt (wobei Ö3 das ja auch nicht macht).
Das Problem liegt vielmehr an der Message, die mit so einer Entscheidung mitschwingt. Denn mit RAF Camora als Headliner widerspricht sich FM4 eigentlich selbst: Der von öffentlich-rechtlichen Spartensender gerne (zumindest marketingtechnisch) vorgelegte Wertekatalog entspricht nicht dem des Musikers. Das sehen auch einige FM4-Hörerinnen und -Hörer so, die sich unter einem Instagram-Posting über diese Entscheidung wundern, sich fragen, was das Ganze eigentlich soll: "Was ist los FM4? Sexistischer Mainstream-Rap als Mainact?" Damit die Entscheidung (wer sie schlussendlich getroffen hat, weiß man nicht), dass RAF Camora als Headliner auf der FM4-Bühne auftreten wird, irgendwie nachvollziehbar und argumentierbar ist, hat der Sender dem Rapper am selben Tag noch eine Spezialsendung gewidmet – inklusive anschließender Diskussion. Immerhin.
Keine große Aufregung
Abgesehen von ein paar Social-Media-Wortgefechten zwischen Anhängern und Gegnern von RAF Camora, blieb der große mediale Aufschrei aber aus. Keine bösen Kommentare der üblich Verdächten. Keiner fragt sich, warum ausgerechnete RAF Camora?, warum ausgerechnet einer, dessen Lifestyle eigentlich nicht zur "FM4-Famile" passt, dessen Musik auf diesem Sender grundsätzlich keine Rolle spielt?
Man hätte sich mehr Aufregung erwartet, denn immerhin kann man die Arbeiten von RAF Camora (vor allem gemeinsam mit seinem bundesdeutschen Kollegen Bonez MC und der 187-Strassenbande) an vielen Stellen als frauenverachtend und gewaltverherrlichend empfinden. Ein Beispiel gefällig: „ Du Nutte, komm mit mir auf's Klo, blas meinen Schwanz und dann kannst du deinen Schein haben!“
Geht sich das aus?
Wie solche Texte mit dem seit viel Jahren aufgebauten FM4-Image, das gerne mit Begriffen wie weltoffen, queer, anti-sexistisch, anti-homophob, gefüttert wird, zusammenpassen, versucht die FM4-Chefin Dodo Gradistanac so zu erklären: „RAF Camora ist das größte Pop-Phänomen Österreichs, das eigentlich komplett außerhalb traditioneller Medien stattfindet. Sein Erfolg ist beeindruckend. Aufgabe des Popkultursenders FM4 ist es, diesen Erfolg beim jungen Österreich ernst zu nehmen und dann zu reflektieren, einzuordnen, sich dem Phänomen RAF Camora journalistisch zu nähern.“ Dieses "ernst nehmen", "reflektieren", dieses sich dem "Phänomen journalistisch nähern", ist eine gute Sache. Wie wärs also nächstes Jahr mit Andreas Gabalier?
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