"Radetzkymarsch": 165 Minuten in der Geisterbahn

   
Kritik: Philipp Hauß’ "Radetzkymarsch" fehlt Spannung.

Zum St. Pöltner Saisonauftakt hat Regisseur Philipp Hauß Joseph Roths Romane "Radetzkymarsch" und "Die Rebellion" miteinander verwoben. Und wie er das inhaltlich gemacht hat, das funktioniert erstaunlich gut.

Er konzentriert sich auf Wesentliches und übersieht dabei auch scheinbare Nebensächlichkeiten nicht: Dass der alte Baron von Trotta (Michael Scherff) so gerne vom Essen spricht, ist wichtig. Schließlich sind die Schilderungen von Nudelsuppe und Tafelspitz in Roths Roman berühmt und fast genauso zentral für das Verständnis der österreichischen Seele wie das untergegangene Kaiserreich. Problematisch ist hingegen, dass es dieser Aufführung an Fallhöhe fehlt. Der junge Trotta (Wojo van Brouwer) schaut schon als Kind fertig aus. Der Enkel des Helden von Solferino, das weiß man von Anfang an, wird "der letzte Trotta" sein.

Das Kaiserreich geht unter doch die Welt von gestern, sie war auf dieser Bühne nie spürbar. Von Beginn an sieht es hier aus wie in der Geisterbahn, der alte Trotta trägt eine graue Langhaar-Perücke, sein Sohn ist leichenblass geschminkt. Sie sind "Dead Men Walking". Da bleibt als Steigerung nur, dass am Ende alle Totenköpfe aufgemalt bekommen und sich zum Abendmahl versammeln. Ein bisschen banal, aber aktuell – schließlich war gerade "Wiesen"-Saison, dazu passt die jämmerliche Dudel-Version des Radetzkymarsches, zu der die Tötenköpfe Bierkrüge schwenken.

KURIER-Wertung:

Info: Der "Radetzkymarsch" ist im Landestheater NÖ bis 31.12. im Spielplan und am 21. und 22.10. im Stadttheater Baden zu Gast.

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