Pussy-Riot-Aktivistin: "Der Tod Putins wäre zu einfach"

Vier Frauen sitzen vor einer roten Wand mit dem Schriftzug „Pussy Riot“ und einem Foto der Band vor dem Moskauer Kreml.
Diana Burkot spielt heute bei der Eröffnung der Wiener Festwochen Songs von Pussy Riot. Die russische Musikerin über das Leben im Exil und warum sie derzeit auch in der Ukraine nicht auftreten können.

Als 2012 drei Frauen in bunten Sturmhauben in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau ihr „Punk-Gebet“ vollführten, gingen die Bilder vom Protest gegen die Allianz von Kirche und Kreml um die Welt. 

Diese Protest-Ästhetik setzen die Wiener Festwochen dieses Jahr zentral ein. Bei der offiziellen Eröffnung am 16. Mai auf dem Rathausplatz (ab 21.20 Uhr auch live auf ORF 2) sind Pussy Riot Teil des heuer besonders politaktivistisch geprägten Line-Ups. Diana Burkot, die am Freitag mit Gastmusikern auftreten wird, kann so wie die meisten ihrer Kolleginnen nicht mehr in Russland leben. Sie sieht sich dennoch als „wirklich privilegierte Person. Weil ich Musik machen und reisen kann.“

 

Eine lächelnde junge Frau mit Zöpfen vor einem roten Hintergrund.

Diana Burkot in Wien: Seit fast zwei Jahren lebt sie im Exil

Aktivismus in Russland ist für Pussy Riot praktisch nicht mehr möglich, „weil wir diesen großen Namen haben“, sagt Burkot. „Trotzdem gibt es noch welche, die in Russland weiterhin jede Woche im Untergrund kämpfen.“ Unter großer Gefahr, erst kürzlich wurde ein Sprecher der Band in Abwesenheit zu acht Monaten Haft verurteilt.

Auch Solidaritätsauftritte in der Ukraine sind derzeit nicht möglich, erzählt die Sängerin, „weil das ukrainische Volk nicht wirklich mit Russen zu tun haben will. Mir ist völlig klar, warum das so ist. Es ist unser Land, das diesen Krieg in der Ukraine begonnen hat. Man kann nur erahnen, was sie fühlen und wann sie bereit sein werden, wieder zu kommunizieren. Natürlich werden wir sie weiterhin unterstützen.“ 

Über Forderungen nach Friedensgesprächen mit Putin sagt sie:Ich denke, die Ukraine sollte entscheiden - und das ukrainische Volk."

Sturmhauben als Symbol

Dass die Wiener Festwochen die Sturmhauben von Pussy Riot verwenden, findet sie gut. „Warum nicht? Am Anfang war die Balaclava für uns ein Mittel, um anonym zu bleiben, weil das das Konzept der Band war. Aber dann wurde sie irgendwie zu einem Symbol für Demokratie, Meinungsfreiheit und Aktivismus. Eigentlich ist es eine große Ehre.“ 

Burkot freut sich auch deshalb in Wien zu sein, weil es die Heimat des Wiener Aktionismus ist. Das habe sie „wirklich stark“ inspiriert, bereits auf der Kunstschule in Moskau. „Sie hatten damals bereits alle Tools und Strategien entwickelt“, die für Pussy Riot wichtig sind.

Klassiker bei Eröffnung

Am Freitag  wird sie mit der Elektro-Musikerin Ronja Jóhannsdóttir und dem Cellisten Olof Valsdottir zwei Pussy-Riot-Klassiker spielen, darunter auch „Virgin Mary, Put Putin Away“, das Lied aus dem berühmten Kirchenauftritt.

Wann zurück?

Sie selbst führe seit ihrer Flucht vor fast zwei Jahren ein Leben aus dem Koffer. „Lange Zeit dachte ich, dass ich bald nach Russland zurückkehren werde. Es ist schwierig, in dieser Stimmung zu leben, dass du vielleicht morgen zurückkehren kannst, vielleicht auch nicht. Aber nun bin ich nach Island gezogen.“

Aufenthalte in Haft seien anfangs noch ein Mittel des Aktivismus gewesen. „aber wenn ich jetzt nach Russland zurückkehren würde, wäre es ziemlich sicher der direkte Weg ins Gefängnis, vielleicht für sieben, acht Jahre. So viele wirklich mutige Leute sind schon dort, eine weitere Person dort würde nichts ändern. Vielleicht bin ich außerhalb Russlands  hilfreicher, weil wir dieses Regime sowohl von innen als auch von außen bekämpfen.“

Die Musikerin sieht auch in Europa Gefahren, weil gerade jetzt immer mehr rechte Parteien stärker würden, „einige von ihnen werden tatsächlich vom Kreml gesponsert.“ 

Ob der Regime Change in Russland nur nach dem Tod Putins möglich sei? „Ich habe ihm eigentlich nie den Tod gewünscht“, sagt Burkot. „Es wäre zu einfach. Ich denke, es wäre cooler, wenn Putin ins Gefängnis geht. Als warnendes Beispiel dafür, was mit Politiker passieren kann, die beschließen, dasselbe zu tun.“

Gefühl von Sicherheit

Bei ihren Shows ("Riot Days") und ihren Tourneen (aktuell „Anti-War“) fühlt sie sich „wirklich sicher. Ich habe beschlossen, meine Situation nicht zu sehr zu dramatisieren. Es ist besser, aktiv zu sein und nicht ständig Angst zu haben. Sollte einmal etwas passieren, dann ist es eben so.“

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