Claudia Bauer, der gefeierten Regisseurin, und ihrem Dramaturgen Matthias Seier dürfte das ziemlich egal gewesen sein, als sie Bachmanns ersten, einzig vollendeten und in gewisserweise prophetischen Roman aus 1971, der mit dem Satz „Es war Mord“ endet, für das Wiener Volkstheater adaptierten: Um diese von Selbstzweifeln und Albträumen durchsetzte Literatur locker-flockig konsumierbar zu machen, geben sie die Autorin der Lächerlichkeit preis. Sie stellen sie aus und bloß.
In die Tasten hauen
Gleich sieben Ingeborg Bachmanns – blonde Perücken, meist grau oder graugemustert eingekleidet, oft in ausgestellten Röcken der Monarchie (wiewohl die Autorin äußerst modebewusst war) – irren auf der Bühne herum. Als Chor rauchen sie immerzu Luftzigaretten (sechs mit der rechten, eine mit der linken Hand) und hauen zum rasend schnellen Schlagzeuggeklapper von Igor Gross manisch in die Tasten.
Das hat, keine Frage, große Wirkung. Dem komplexen, langatmigen Roman „Malina“ werden Bauer und Seier aber nicht gerecht. Selbst die vielen an ein Hörspiel erinnernden Dialogpassagen zwischen der Erzählerin und Malina, dem Alter Ego, verwenden sie nur rudimentär. Weil sie nicht knackig genug sind?
Mit großer Energie hingegen legen Bauer und Seier die wenigen Spuren des Amüsanten frei. Dass Malina als Beamter „vorrückt, ohne sich zu bewegen“ (so die Personenbeschreibung), lässt gleich zu Beginn des zweieinviertel Stunden langen Abends schmunzeln. Und natürlich erwartet sich das Publikum, dass es in dieser Tonalität weitergeht. Bauers hochdekorierte Ernst-Jandl-Collage „humanistää!“ vor zwei Jahren war ja zum Wiehern gewesen. Doch die schreckhafte Bachmann ist kein Jandl, dessen artistische Performances auch allerbeste Unterhaltung gewesen waren.
Aus dem gemischten Chor (u. a. mit Evi Kerstephan, Uwe Rohbeck, Christoph Schüchner und Friederike Tiefenbacher) gewinnen zwei Kontur: Bettina Lieder, die dem Publikum nach einem „Herzlich Willkommen“ bereits die komplizierte Dreiecks-Grundkonstellation erklärt hat, und Nick Romeo Reimann als sanftmütiger, engelhafter Widerpart.
Dieser Malina lebt bei der Erzählerin in der Ungargasse 6. Und auf Nummer 9 wohnt Ivan, ein gebürtiger Ungar. Patricia Talacko hat das „Ungargassenland“ auf der Drehbühne nachgestellt: mit zwei bunt eingerichteten Wohnzimmerkuben aus Holz – und einem dritten, kleineren Würfel, der wohl für den Vater („Der dritte Mann“) bzw. die belastende NS-Vergangenheit steht.
Die Liebe zu Ivan holt die Erzählerin aus ihrer Schwermut: Claudia Bauer und Marvin Kanas (Video Art) visualisieren sie als schwer psychedelischen Trip, mit äußerst kräftigen Farben werden Bilder aus den Kuben auf deren Außenwände geworfen. Die Vorstellung von Ivan (aufgrund der Lektüre) zerstört Samouil Stoyanov mit oranger Sonnenbrille und österreichischem Dialekt völlig. Aber er hat eine unglaubliche Präsenz – und drängt Malina in den Hintergrund. Mit Fortgang wird der Abend absurder und operettenhafter (durch Gesangseinlagen der Sopranistin Johanna Zachhuber). Und Bauer missbraucht eine an sich kritische Zeile aus dem Gedicht „Reklame“ als Schlachtruf: „ohne sorge sei ohne sorge“. Nein, so hat das die Bachmann nicht gemeint.
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