Es ist nicht der erste – der Zorn der Branche hat (kein Ruhmesblatt) die letzte Kulturstaatssekretärin aus dem Amt geschossen. Diese Woche war das Rumoren so laut wie seit damals nicht mehr. Grund war, dass eine Zusage mitten in der Pandemie nicht eingehalten werden konnte – aus dem Wiederaufsperren und den Planungen ab dem 18. Jänner wurde nichts.
Dem könnte man eigentlich Verständnis entgegenbringen, reihte es sich nicht allzu gut ein in ein Schema, das die Kultur mit Missmut registriert: Was in normalen Zeiten von Kultur- und Tourismuspolitikern als einer der Eckpfeiler des österreichischen Selbstbildes hochgehalten wird, ist in der Krise abseits eines Kulturstaatssekretariats weit außerhalb des politischen Handlungskreises. So weit, dass man oft einen Feldstecher braucht, um die Kultur zu entdecken.
Sie wurde mit Freizeitparks und Bordellen zusammenverordnet, als ob Kultur nur eine besonders umständliche Form der Unterhaltung sei, ohne die man ja wohl ohne Weiteres auskommen könnte. Sie wurde in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung anfangs völlig ignoriert und als Hobby Weniger beiseite gewischt. Man hat Sicherheitskonzepte verlangt, die aber letztlich nichts galten.
Nun soll statt dem „Freitest“ ein „Eintrittstest“ ein Aufsperren, endlich, ermöglichen – die Umsetzbarkeit wirft wieder Fragen auf, klar, aber vielleicht lassen sich nun Antworten finden.
Denn das wirkliche Problem ist ein politisches. Politik ist eine Rechnung mit vielen Faktoren. Einer ist die große Erzählung davon, wie wir zusammen leben wollen, ein anderer ist die Kommunikation über die gegenwärtigen Zustände hinaus. Und hier ist viel Feld unbeackert geblieben.
Es braucht über Schulterschlüsse und Fallzahlen hinaus Perspektiven, an denen sich Menschen über die dunklen Monate retten können. Kultur ist für gar nicht Wenige ein psychischer Rettungsanker. Die Aussicht, ins Theater, ins Konzert, in die Oper, ins Kino, in den Club zu gehen, ist Licht am Ende vieler persönlicher Tunnel. Das hat mit Selbstsucht nichts zu tun, sondern mit würdiger Existenz. Dass dies politisch so lange liegen blieb, schadet der Pandemiebekämpfung. Und dem Selbstbild als Kulturnation. Georg Leyrer
Jetzt das Live-Erlebnis einzufordern, ist bloß selbstsüchtig und verantwortungslos
Dem Burgtheaterdirektor – und nicht nur ihm – ist kürzlich der Kragen geplatzt. „Wie lange sollen wir uns noch verschaukeln lassen?“, fragte er sich.
Am 10. Dezember hatte Martin Kušej dafür plädiert, mit der Wiedereröffnung zuzuwarten. Denn die Vorbereitung brauche sechs Wochen. Doch die Regierung gab am 18. Dezember bekannt, dass ein Spielbetrieb ab 18. Jänner möglich sei – mit „völlig absurden Regelungen wie Testpflicht für das Theaterpublikum plus Einhaltung der Ausgangssperre“, wie Kušej resümiert.
Die Burg – und nicht nur sie – hat sich darangemacht, diese komplizierte Aufforderung umzusetzen. „Jetzt, wo wir das geschafft haben, wird wieder alles über den Haufen geworfen!“ Kein „Freitesten“ und daher auch kein Theater ab 18. Jänner. „Da soll einem nicht der Kragen platzen?“ Irgendwann seien auch die motiviertesten Menschen einfach am Ende.
Aber schon ist wieder alles anders. Statt „Freitesten“ kommt das „Eintrittstesten“. Und zuständig für die Kontrolle ist, was den Kollegen vom Josefstadt-Theater tollwütig werden lässt, die jeweilige Institution. Wer seinem Publikum selbst in die Nase fährt, bekomme genügend Schnelltests zur Verfügung gestellt. Klingt super. Am Dienstag will die Kulturstaatssekretärin darüber mit den Direktoren konferieren.
Allerdings kann der Besucher auch ein älteres Testergebnis mitbringen. Das ist unverständlich. Denn jeder bekommt doch eingebläut, dass es sich nur um eine Momentaufnahme handelt.
Zudem: Was ist gewonnen? Die Infektionszahlen sinken nicht wie erhofft. Aus England ist eine hoch ansteckende Virusmutation ans Festland geschwappt. Und man kann sich auch auf dem Weg ins Theater anstecken.
Angesichts der gegenwärtigen Lage – unmittelbar vor Beginn des großen Impfens – das Live-Erlebnis einzufordern: Das ist bloß selbstsüchtig und verantwortungslos. Thomas Trenkler
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