Kein Lockdownende für die Kultur: "Zeigt, wo die Kulturnation wirklich steht"

SILVESTER - CORONA - LOCKDOWN
"Planungszeiträume werden immer kürzer", Kultur wird "zum Spielball", "Flexibilität wird aufs Äußerste gereizt".

Die Kulturbranche sieht sich erneut von einer Unsicherheit in die nächste gestoßen. Zuletzt war unklar und umstritten, wie und von wem etwaige Freitest-Atteste, die laut letzten Plänen für den Besuch von Kulturveranstaltungen verlangt werden sollten, zu prüfen gewesen wären. Nun ist die Option des Freitestens dahin, und die Häuser müssen ihre für die erste Woche nach dem Lockdown erstellten Pläne wieder streichen. 

Einige Häuser hatten für die Woche nach dem 18., in der Kulturbesuch hätte möglich sein sollen, Premieren angesetzt. Und die Häuser stehen erneut vor der Herausforderung, auch mittelfristig keine belastbaren Aussichten zu haben, wann und in welcher Form gespielt bzw. Publikum eingelassen werden kann.

Roščić: Vielleicht muss Kulturpublikum "in Skischuhen erscheinen"

Die Staatsoper zeigt ihre Produktionen nun weiter mit dem ORF: Piotr Beczałas Wiener Rollendebüt als Werther am 10. Jänner, 20.15 Uhr, ORF III, und am 24. Jänner eine Wiederaufnahme von Nabucco mit Plácido Domingo, rund um dessen 80. Geburtstag. "Was wir im Jänner darüber hinaus machen können, steht in den Sternen", sagt Staatsopernchef Bogdan Roščić.

"Auch die letzte Jänner-Woche ist nach immer lauter werdenden Spekulationen möglicherweise ebenso durch einen verlängerten Lockdown gefährdet. Was die Rahmenbedingungen für unsere Aktivitäten im Februar betrifft, darunter immerhin die Premiere einer neuen Carmen, ist uns noch absolut nichts bekannt." Die Planungszeiträume werden "jedenfalls immer kürzer", so der Opernchef, "die Verunsicherung des Publikums immer größer. Vielleicht müssen wir das Publikum ja demnächst bitten, nicht nur wegen der Ausgangsbeschränkungen schon am Nachmittag und frisch getestet, sondern auch in Skischuhen zu erscheinen, damit ein Stattfinden der Vorstellung garantiert werden kann.“

Burgtheaterchef "wirklich verärgert"

„Nach dieser letzten Volte bezüglich der Kulturinstitutionen bin ich wirklich richtig verärgert!", sagte Burgtheaterdirektor Martin Kusej. "Und ich denke, dass ich für alle Menschen spreche, die in den Theatern arbeiten, wenn ich frage: Wie lange sollen wir uns noch verschaukeln lassen? Wie lange sollen wir noch über die Stöckchen springen, die man uns hinhält? Denn der Zeitpunkt für die Wiedereröffnung der Theater ist wieder ungewiss!" Die nach Rücksprache mit dem Kulturstaatssekretariat getätigten Planungen seien "wieder Makulatur", so Kusej. "Und dann will man einen Nachweis von Schnelltests beim Publikum einführen, ohne irgendwie das Angebot und Fragen der Nachweispflicht etc. zu regeln, das führt uns keinen Schritt weiter. Wer soll das wie umsetzen? Und warum können diese in anderen Branchen fünf Tage älter sein? – Ein erneutes Zeichen dafür, welchen ach so hohen Stellenwert der Kulturbereich für die österreichische Regierung in der so genannten Kulturnation Österreich hat!“

Theater in der Josefstadt: "Keine Perspektive"

„Wir haben keine Perspektive“, hieß es auf KURIER-Anfrage aus dem Theater in der Josefstadt. Dort wurde – nachdem man „den Medien entnommen“ hat, dass die zwei für Ende Jänner geplanten Premieren nicht gespielt werden können – der Kartenvorverkauf gestoppt. „Sobald wir klare Anweisungen der Bundesregierung erhalten, werden wir Ihnen einen Spielplan präsentieren und den Kartenverkauf wieder aufnehmen“, wurde den Kunden komuniziert. Man bitte um Geduld. Wie die Perspektiven eben für Februar oder darüber hinaus sind, wusste man im Theater nicht.

Theater an der Wien: "Flexibilität wird aufs Äußerste gereizt"

Auch das Theater an der Wien hatte nur eine „theoretische“ Antwort auf die Frage, was mit der für 19. Jänner geplanten Premiere passiert. „Falls die Bundesregierung die Theater ab dem 24./25.1. wieder öffnen lässt, könnten wir ab dem 26.1. unsere Jänner-Premiere ,Thais’ (Inszenierung Peter Konwitschny) spielen“, hieß es.

"Die Flexibilität wird aufs Äußerste gereizt", sagte Intendant Roland Geyer zum KURIER: Er könne aktuell reagieren - aber habe in den vergangenen Monaten gelernt, dass Planungen weiterzudenken keinen Sinn mache, bevor nicht "konkrete, schriftliche" Angaben der Regierung vorhanden sind. Die gibt es derzeit nicht. Es wäre kein Problem gewesen, mit dem personifizierten Ticket auch einen Coronatest zu überprüfen. "Jetzt gilt halt die größte Oppositionspartei als Buhpartei, die verhindert, dass die Kultur nicht wieder aufmachen darf. Ich halte es für gefährlich, dass die Kultur da noch mehr zum Spielball wird. Nirgendwo hat man solche Präventionskonzepte eingefordert und bekommen wie im Kulturbereich." Was nun passiere, sei "absurd und zeigt, wo die selbsternannte Kulturnation Österreich wirklich steht". Geyer betonte, dass er nicht den "wichtigen Gesundheitsaspekt negieren" wolle. Aber "Gesundheit ist nicht nur körperlich. Eine gesundheitsorientierte Regierung müsste sich überlegen, wie man die geistige, psychische Gesundheit der Bevölkerung aufbauen kann."

Volksoper: "Wir warten"

Die Volksoper Wien hat "keine konkreten Angaben" von Seiten der Bunderegierung und wartet demnach ab. Der geplante Jänner werde "so nicht stattfinden", hieß es auf KURIER-Anfrage. Man habe für diesen von vornherein nur Kartenvorbestellungen angemommen, müsse also zumindest keine Käufe rückabwickeln. "Wir warten", hieß es.

Albertina-Chef: "Kein Blockwart der Republik", aber "keine Kontrollen wären noch unangenehmer"

Etwas leichter tun sich die Museen und Kunsthäuser mit dem Auf- und Zudrehen des Publikumsbetriebs. Man stehe „Gewehr bei Fuß“ und hoffe, zum ehestmöglichen Zeitpunkt wieder aufsperren zu können, sagt Wolfgang Muchitsch, Direktor des Universalmuseums Joanneum in Graz und Präsident des Österreichischen Museumsbundes. Hinter den Kulissen laufe die Arbeit an den Objekten und an der Vorbereitung von Ausstellung voll weiter – „es ist aber schwierig, bei diesen sukzessiven Verlängerungen des Lockdowns die Motivation aufrecht zu erhalten“, so Muchitsch. „Wir würden uns freuen, in absehbarer Zeit verbindliche Szenarien zu bekommen.“

Von einer Wiederöffnung am 24.1. gehen derzeit auch  die Bundesmuseen aus –  ob   dann vor Betreten negative Testergebnisse verlangt  werden, harrt aber ebenso  noch einer genaueren Abstimmung wie die Frage, wer Tests überprüfen soll.

Für das nun gekippte Freitest-Szenario hatte sich die Wiener Albertina darauf eingestellt, mithilfe des eigenen Personals Kontrollen am Eingang durchzuführen, erklärt Direktor Klaus Albrecht Schröder, der seit Jahresbeginn auch den Vorsitz in der Konferenz der Bundesmuseumsdirektorinnen und Direktoren, dem zentralen Abstimmungsgremium der Häuser, innehat. Auch für die Zeit ab 24. Jänner stelle man sich auf verstärkten Personaleinsatz am Eingang ein: „Ich mache das ungern, denn ich möchte mich nicht als Blockwart der Republik fühlen“, sagt Schröder.  Keine Kontrollen wären aber noch unangenehmer – „und es wäre ein unerträglicher Anblick, einen Polizisten vor Picasso die Besucherinnen und Besucher kontrollieren zu sehen.“

Kinos haben "keine Filme" und warten

Bei den Kinos ist das Thema Freitesten derzeit nur ein Nebenschauplatz. „Unser Hauptproblem ist, dass wir im Moment keine Filme haben“, sagt Branchensprecher Christian Dörfler vom Kinoverband. „Kino ist kein Nachspielsegment, unsere Kunden wollen die neuesten Filme mit der besten Kinotechnik sehen. Es gibt derzeit aber keine internationalen Filmstarts“, sagt Dörfler. Man blicke daher auch weniger auf die politische Diskussion in Österreich, sondern mehr auf die großen Märkte. „Solange Deutschland im Lockdown ist, haben wir auch keine deutschen Filme“, sagt Dörfler. Er habe auch von kleineren Kinobetreibern keine Signale erhalten, dass am 18. Jänner jemand mit der Freitest-Option aufgesperrt hätte, daher sei auch der 24. Jänner derzeit noch kein Thema. Die größeren Ketten warten ohnehin auf die Blockbuster. Disney will am 12. März „The King’s Man: The Beginning“ in den USA und auch in Europa herausbringen, Ende März soll dann das neue James-Bond-Abenteuer „No Time To Die“ den Neustart der Kinos endgültig auf Schiene bringen.

„Wenn die ersten großen Filme kommen, kommen sicher die kleinen und mittleren Produktionen auch dazu. Dann wissen alle Studios, dass die Kinos weltweit offen sind“, sagt Dörfler. Da die Kinos aber eine gewisse Vorlaufzeit brauchen, rechnet er mit einer Wiedereröffnung der ersten Kinos Mitte Februar. „Das heißt, wenn es die Pandemiesituation zulässt“, erklärt der Branchenvertreter. „Wir haben die Hoffnung, dass die Impfungen bis dahin greifen.“

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