Prince: Gibt es jemanden, der nicht weint?

Der Popstar hatte Mitte der 90er Jahre im Streit um Musikrechte das Wort "Sklave" auf sein Gesicht geschrieben und sich von Warner Bros. losgesagt. Prince, der im kommenden Monat seinen 58. Geburtstag feiert, unterzeichnete aber im April einen neuen Vertrag mit Warner Bros. Er sieht unter anderem die Veröffentlichung von bisher "ungehörtem Material" sowie eine überarbeitete Jubiläumsausgabe zum 30. Geburtstag von "Purple Rain" vor.
Das musikalische Genie starb mit 57 Jahren. Er wird ewig leben.

Du wirst es nicht wissen, höchstverehrter Meister, dass der Autor dieser Zeilen dir zu so vielen Konzerten nachgereist ist – und dann oft enttäuscht war, weil du bei Live-Auftritten regelmäßig Haken geschlagen hast, in eine völlig neue Dimension. Mit dem Abspielen deiner Hits gabst du dich nie zufrieden – du warst uns immer weit voraus.

Du wirst dich selbstverständlich nicht daran erinnern, dass wir einst in einem New Yorker Restaurant kurz miteinander plauderten, der österreichische Tennisspieler Thomas Muster, sein Manager Ronald Leitgeb, du und ich. Ganz schüchtern saßest du im Steakhouse hinten im letzten Winkel.

Und garantiert hat es für dich keinerlei Rolle gespielt, dass wir beide gemeinsam in London auf einer Bühne standen. Du hast in einem winzigen Theater eine neue CD präsentiert, mit Beck als Vorgruppe. Und dann hast du zu „Purple Rain“ Beck Hansen wieder zu dir geholt, dazu ein paar Menschen aus dem Publikum. Und wir sangen gemeinsam diesen einzigartigen Hit.

Prince: Gibt es jemanden, der nicht weint?

Musician Prince gestures on stage during Apollo Th
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Prince performs during halftime show of the NFL's
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Reports state US Musician Prince has died
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File photo of singer Prince performing during "Ame

Du wirst es nicht mehr wissen, Dich nicht mehr erinnern, und man hat ja eigentlich keine Ahnung, wie es da oben generell so ist mit der Erinnerung. Aber für uns, die wir hier noch weitermachen, bleiben solche Begegnungen unvergesslich. Danke Prince Rogers Nelson. Danke Prince. Danke The Artist Formerly Known as Prince. Danke Dir, von wo auch immer Du jetzt herabschaust auf eine Welt, die durch Dich eine andere wurde.

Ja, es stimmt

Man wagt es gar nicht, den vollständigen Satz auszuschreiben, aber es muss jetzt leider sein: Prince ist tot. Gestorben auf seinem Grundstück in Minnesota, längst eingegangen in die Musikgeschichte, unersetzlich. Man kann es nicht fassen, will es nicht fassen. Und damit man ja nicht missverstanden wird: Es geht nicht im Geringsten um eitle Erinnerungen eines Prince-Bewunderers, sondern um die Würdigung eines der größten musikalischen Genies des 20. Jahrhunderts. Kann es überhaupt irgendjemanden geben, der zu Prince keine persönliche Geschichte hat? Der nicht traurig ist?

Aber was machte ihn, den nur 1,58 Meter großen Amerikaner, der am 7. Juli 1958 zur Welt kam, aufgrund komplizierter Familienverhältnisse mit sieben anderen Kindern aus unterschiedlichen Beziehungen seiner leiblichen und Stiefeltern zusammenlebte, der nach dem Bühnennamen seines Vaters, des Halbitalieners John Lewis Nelson, benannt wurde, so überdimensional? Seine verblüffende Kreativität. Er schien Hits, auch für andere Künstler wie „Nothing compares 2 U“ for Sinead O’Connor oder „Kiss“, das durch Tom Jones doppelt so berühmt wurde, aus dem Ärmel zu schütteln. Bei ihm, dem Falsettisten, wirkte immer alles leicht.
Dazu seine Musikalität, gepaart mit instrumentalem Können. Er spielte auf den meisten seiner Alben alle Instrumente selbst.

Seine kompositorische Brillanz: Er mischte Funk und R&B, Disco und Soul, Techno und Blues, Jazz und Pop scheinbar mühelos mit- und die ganze Szene durcheinander. Anfangs wurde er völlig fälschlicherweise in die Stevie-Wonder-Ecke gedrängt. Wenn er jedoch einen musikalischen Vater hatte, dann James Brown.

Kaum eines seiner Alben ist mit einem anderen vergleichbar. Zwischen der Debütplatte „For You“ (1978) und „Controversy“ (1981), zwischen seinem erfolgreichsten Album „Purple Rain“ (1984) und „Around The World in A Day“ (1985), zwischen „Parade“ (1986) und „Rave Un2 The Joy Fantastic“ (1999), zwischen „Musicology“ (2004) und den beiden 2015 veröffentlichen „HitnRun“-Alben liegen teils abenteuerliche Entwicklungssprünge, wobei seine beste, kreativste, innovativste, himmlischste Phase die 1980er Jahre waren.

Ja, er war der Größte

Obwohl er als der Unvergleichliche in Erinnerung bleiben wird, seien dennoch einige Gedanken in Hinblick auf die vergleichende Musikwissenschaft gestattet: Prince war das, was Madonna immer gern gewesen wäre – das glaubhafteste Chamäleon. Er war, was die Tanzbarkeit und Innovationskraft seiner Songs betrifft, über Michael Jackson zu stellen. Bezüglich der Einflüsse auf das ganze Genre ist er zumindest auf einer Ebene mit David Bowie.

Berühmt wurde er auch als Querdenker, als Kämpfer für die Rechte der Kreativen, als Gegner der Plattenindustrie. Sein Streit mit Warner Bros. Records ist legendär. Dass er danach seinen eigenen Namen nicht mehr verwenden durfte, sondern als „Artist formerly known...“ auftreten musste, machte ihn nur noch berühmter. Er kämpfte für Veröffentlichungen im Internet, um dann das WWW wieder als überholt darzustellen. Es gibt wenige, die ihrer Zeit stets so voraus waren wie der Mann, der zwei Mal verheiratet war, sein Privatleben aber rigoros abschirmte. Auch die Beziehung mit Sheila E., der von ihm so sehr geförderten Schlagzeugerin, blieb lange Zeit geheim.

Welches seiner Lieder sollten Prince-Fans nun am besten hören, wenn sie dazu wieder in der Lage sind und ganz nahe bei ihm sein wollen? „Sometimes It Snows in April“. In diesem April weint auch der Himmel. Bestimmt ist er dort, wo er hingehört: Bei Gott.

Prince Rogers Nelson wurde am 7. Juni 1958 in Minneapolis, USA, geboren. 1978 veröffentlichte er sein erstes Album, „For You“.

Den ersten großen Hit hatte Prince mit seinem fünften Album, „1999“, das 1982 erschien. Doch es war nur die Ouvertüre zu dem Erfolg, der sich mit „Purple Rain“ (1984) einstellen sollte. Das allein in den USA mehr als 10 Millionen Mal verkaufte Album, der Titelsong und der gleichnamige Musikfilm untermauerten Princes Status als Superstar, der in Folge reihenweise weitere Hits ablieferte.

Dabei blieb der Musiker, der als Performer, Multiinstrumentalist und Komponist genial war, nie dem einfachen Format verhaftet: „Sign O’ The Times“ (1987) und „Lovesexy“ (1988) waren ausufernde Gesamtkunstwerke, kommerziell weniger erfolgreich als „Diamonds and Pearls“ (1991).

Aufgrund von Streitigkeiten mit seiner Plattenfirma Warner legte Prince 1993 seinen Namen ab und wollte nur mehr mit einem unaussprechlichen Symbol bezeichnet werden. Er schrieb sich öffentlichkeitswirksam „Slave“ (Sklave) auf die Wange, weil er sich um Rechte an seinen Songs geprellt fühlte. Nach einer Zeit ohne Major-Label veröffentlichte er ab 2004 wieder reguläre Alben als „Prince“.

Seit 2007 probierte Prince zahlreiche alternative Vertriebswege aus und folgte auch bei seinen – fast immer außergewöhnlichen – Auftritten keinem vorgegebenen Muster: Immer wieder fand er sich zu kurzfristig anberaumten Spontan-Konzerten ein.

Zuletzt war eine Europa-Tour geplant, die Prince im November 2015 auch nach Wien hätte führen sollen – für einen Auftritt allein am Klavier. Die Tournee wurde nach den Anschlägen von Paris abgesagt, zu Ersatzterminen sollte es nicht mehr kommen.

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