Platin-ROMY an Michael Wolkenstein: Er produzierte "Kottan“ und die "Piefke-Saga“

46-177846473
Satel-Gründer Michael Wolkenstein erhält bei der Branchen-ROMY den Platin-Preis für das Lebenswerk.

Michael Wolkenstein hat als Produzent Film- und Fernsehgeschichte geschrieben. Mit seiner Satel Film produzierte er urösterreichischen Kult und wahre Publikumshits. Für sein prägendes Wirken über Jahrzehnte hinweg erhält Wolkenstein bei der Branchen-Verleihung 2025 am 29. November in Kitzbühel die Platin-ROMY für das Lebenswerk

In den Bergen also, obwohl die Entscheidung, eine neue Filmfirma zu gründen, passenderweise in Cannes gefallen ist, die Füße im Meer. So erinnert sich Michael Wolkenstein an den Moment, in dem Anfang der 1970er die Gründung der Satel Film beschlossen wurde.

„Kottan“ und „Piefke-Saga“

Ein halbes Jahrhundert später sitzt der Produzent in Wien und blickt auf ein Berufsleben zurück, das sich von der Farbfernseh-Euphorie nach der Schwarz-Weiß-Ära bis ins Streaming-Zeitalter spannt. Ein Leben, in dem der Name Satel zum Synonym für einige der prägendsten und auch publikumsträchtigsten österreichischen Film- und TV-Produktionen geworden ist: von „Kottan“ und die „Piefke-Saga“ über „Schüler Gerber“ und „38“ bis hin zu Serien wie „Schlosshotel Orth“ und später „SOKO Donau“, das sein Nachfolger Heinrich Ambrosch höchst erfolgreich weiterentwickelte.

Seit der Gründung seiner Produktionsfirma hat sich die Medienwelt radikal verändert. Gibt es da überhaupt etwas, das gleich geblieben ist? Ja, sagt der 85-Jährige: Geschichten. „Mich hat ursprünglich fasziniert, eine Geschichte zu erzählen, bei der viele Leute zusehen. Schlicht und einfach simpel“, sagt er.

Michael Wolkenstein.

Bevor es Satel Film gab, war Wolkenstein geschäftsführender Gesellschafter der Sascha-Ufa-Werbefilm, in den 1960er-Jahren die wohl größte Werbeproduktion des Landes. „Wir hatten in der Werbung sehr gut verdient“, erinnert er sich. Aber ihn reizte das Fernsehen – was damals nur hieß: öffentlich-rechtliches Fernsehen. An die Sender trat die Satel Film auf ungewöhnliche Weise heran: Man entwickelt selbst Stoffe, sucht sich internationale Partner, finanziert vor, produziert – und bietet den Sendern dann Lizenzen oder Co-Produktionen an. Zu Stoffen, die teils heute als Klassiker der heimischen TV-Geschichte gelten, damals aber auf eine Art polarisierten, wie es heute kaum möglich erscheint.

„Kottan“, etwa. Da wurde er, erzählt Wolkenstein, sogar zu einem parlamentarischen Ausschuss zitiert, „das kann man sich gar nicht mehr vorstellen. Ich war damals um die 30, wohlgefühlt hab ich mich nicht“, sagt er mit einem Lachen. Der Vorsitzende wandte sich an den damaligen Polizeipräsidenten, in der Erwartung, dass dieser in die Kritik an „Kottan“ einstimme. Doch der sagte laut Wolkenstein: „Na ja, ich weiß nicht, warum du dich so aufregst. Ich finde es lustig, dass man über uns lächeln und schmunzeln kann und nicht, dass wir die Bösen sind.“

Tirol, not amused

Für Wolkenstein ist dieser Satz bis heute eine Art Leitmotiv: Das Selbstbild eines Landes entscheidet sich daran, ob es über sich lachen kann. Was es, zu Beginn, auch bei der „Piefke-Saga“ nicht konnte. Die Ausstrahlung löste in Tirol heftige Proteste aus, Lokalpolitiker empfanden sich und ihr Land verspottet. Auch dort musste er sich vor der Politik rechtfertigen, verteidigt sei er nur von einem führenden Touristik-Werber geworden. Erst im Rückblick setzte sich die Einsicht durch, dass die Serie „die beste Werbung für Tirol“ geworden sei.

Mittlerweile können die Tiroler über sich lachen, sagt er. Später sollte er in die Gründung des Filmfestivals Kitzbühel federführend involviert sein – und nun, am kommenden Samstag, erhält er in Tirol die Platin-Branchen-ROMY für das Lebenswerk.

Auch in seinen vielleicht größten künstlerischen Kinoerfolg spielte die Politik hinein. „38 – Auch das war Wien“ (1986) von Regisseur Wolfgang Glück heimste die erste „echte“ österreichische Oscar-Nominierung ein – und galt vor der Gala sogar als Favorit. Bis die Waldheim-Affäre hochkochte.

Mitglieder der Academy traten an Wolkenstein heran, um zu erklären, dass sie „jetzt nicht mehr für den Film stimmen“ könnten, erzählt er. Er habe sich den Mund „fusselig geredet“, sagt er.

Vergeblich.

Wolkenstein hat die durchaus wechselvolle Geschichte der heimischen Filmbranche zwischen Erfolg und Marginalität aus der ersten Reihe miterlebt. Dass Filme so hoch gefördert werden, die dann nur wenige Tausend Kinobesucher anlocken, findet Wolkenstein erstaunlich: Manche Drehbücher, sagt er, scheinen gezielt für jene Jurys geschrieben zu werden, die dann die Förderungen vergibt. Und die zuletzt erfolgreiche FISA+-Förderung wurde „kaputtgemacht“: „Eine Zeit lang war Österreich wirklich ein Vorzeigeland bei der Filmförderung“, sagt er. „Und jetzt haben wir das wieder eingestellt.“ Aus Spargründen, aber auch, wie Wolkenstein hört, weil bei den Fördergebern die Meinung herrsche, dass „Filmproduzenten eh reich“ sind. „Das stimmt überhaupt nicht. Die meisten meiner Kollegen sind fast in prekären Verhältnissen.“ Aber zuletzt kam doch viel Geld dank der internationalen Streamingproduktionen in die Branche, oder?

„Ja, aber das hat dazu geführt, dass die Gewerke sehr teuer wurden. Es wurde viel produziert, auch viel Gutes. Aber es hat eigentlich die Filmlandschaft völlig durcheinandergebracht.“ So einiges durcheinanderbringen könnte auch die Künstliche Intelligenz demnächst im Filmbusiness. Ob Schauspielerinnen und Schauspieler dank KI-Hilfe künftig eingescannt und als digitale Doubles in Filmen auftauchen, von denen sie nichts wissen? „Das kann man jetzt schon“, sagt Wolkenstein. Entscheidend sei, dass sie „das Entgelt erhalten, das Richtige“ – und dass ihre Persönlichkeitsrechte gewahrt werden. Wolkenstein rät der Filmbranche, trotz der vielen internen Konfliktlinien in solchen Fragen an einem Strang zu ziehen. „Die Prinzipien, die für das Überleben im Geschäft notwendig sind, die sollten wir gemeinsam festlegen.“

Und die Zukunft? Was passiert mit einer Branche, in der der Staat und die Streamer sparen, KI an die Tür klopft und zugleich mehr Bewegtbild denn je konsumiert wird? „Die Branche hat schon viel überlebt“, sagt Wolkenstein. „Auch Streaming ist ja letztlich klassisches Bewegtbild.“ Am Ende gehe es auch in Zukunft immer „darum, Geschichten zu erzählen“.

Aber ist es heute noch möglich, mit einer Produktion so viel Gesprächsstoff zu liefern wie einst „Kottan“ oder die „Piefke-Saga“? Ja, sagt Wolkenstein. Es brauche ein Thema, „das die Leute berührt“. Und „das kann Gott sei Dank die KI nicht anbefehlen, weil die weder Antipathie noch Empathie kennt“.

Und letztlich muss sich ein Produzent auf das eigene Gefühl verlassen – das sich manchmal ordentlich täuschen kann. Das heißt, Sie hatten auch Flops?

„Ja, viele!“, sagt Wolkenstein mit einem Lachen.

Kommentare