Pippi von Heilbronn

Werden durch göttliche Intervention ein Paar, ob sie wollen oder nicht: Käthchen (Sarah Viktoria Frick) und Graf (Fabian Krüger)
Kritik: Sarah Viktoria Frick brilliert als Langstrumpf-Stalkerin in Kleists gar schröcklichem Klassiker "Käthchen von Heilbronn" im Burgtheater.

Heinrich von Kleists "Das Käthchen von Heilbronn" ist, sagen wir es ehrlich, eine Zumutung. Ein gar schröckliches Schauermärchen, voll von Rittern mit Namen wie "Schauermann" oder "Eginhardt", voll von bösen Burgfrauen namens "Kunigunde", voll von bizarren Handlungs-Wendungen. Da brennen Burgen, werden geheime Briefe vertauscht, Gottesurteile erwartet, da greifen Engel in die Handlung ein.

Im Mittelpunkt stehen eine mittelalterliche Stalkerin, das Käthchen, welches aufgrund einer göttlichen Eingebung blind einem Ritter hinterherläuft (und dabei allen Ernstes aus dem Fenster fällt) – und eben dieser Ritter (er heißt tatsächlich Wetter vom Strahl!), der auf Basis einer ähnlich übersinnlichen Überzeugung darauf wartet, von einer Kaisertochter geheiratet zu werden.

Ritterspiele?

Wie, bitte, bringt man das auf die Bühne, wenn man nicht zufällig Direktor der Pradler Ritterspiele ist?

Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: a) Man nimmt die Geschichte gnadenlos ernst und erzählt sie in aller Naivität, auf die Poesie und Kraft von Kleists Sprache vertrauend. Oder man macht sich b) ebenso gnadenlos über die Geschichte lustig.

Regisseur David Bösch, der gerne Geschichten aus der Perspektive eines Kindes betrachtet (sein "Romeo und Julia" bleibt unvergessen) macht lustigerweise beides – und das funktioniert über weite Strecken wunderbar.

Es beginnt mit einem tief ernsten, reduzierten Femegericht: Falk Rockstroh spielt hinreißend den gekränkten Vater, dem dubiose Mächte die Tochter abspenstig machten (und der später noch schlimmere Demütigungen ertragen muss). In den folgenden Szenen friert die Handlung ein, Bösch ist hier nicht allzu viel eingefallen. Dann aber wird der Abend sehr komisch und auch sehr traurig.

Pippi von Heilbronn
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Wieder einmal sensationell gut ist Sarah Viktoria Frick als Pippi-Langstrumpf-haftes Käthchen. Wie sie die traumwandlerische Entrücktheit ihrer Figur pantomimisch darstellt, ist einfach großartig, sehr lustig, gleichzeitig fast beängstigend.

Fabian Krüger ist als bleicher Graf vom Strahl, der seine Heiratspolitik eher tollpatschig als geschickt verfolgt, wunderbar verwirrt. Dörte Lyssewski liefert als böse Kunigunde, die sich mit Botox und Vitaminpillen verjüngen will, eine herrlich witzige, dabei aber nicht ungefährlich wirkende Hexe-Kniesebein-Karikatur ab. Ebenfalls großartig: Martin Schwab, der als Kaiser in erotischen Erinnerungen schwelgt und dabei das Wort "unterhalten" so ausspricht, als wäre es pure Pornografie – da gibt es zu Recht Szenenapplaus.

Auch Hermann Scheidleder ist wieder einmal wunderbar, als Knecht Gottschalk sammelt er Lacher ab – vielleicht will er ja "Wetten, dass...?" moderieren?

Daniel Jesch und Dietmar König als Ritter und Frida-Lovisa Hamann als gespenstisch-erotisches Kammerfräulein komplettieren das erstklassige Ensemble.

Freundlicher Applaus.

KURIER-Wertung:

Fazit: Poetisches, witziges Märchen

Stück Kleists Ritterstück, 1810 im Theater an der Wien uraufgeführt, galt zu seiner Entstehungszeit als moralisch problematisch, da seine Hauptfigur das Ergebnis einer außerehelichen Affäre des Kaisers ist. Käthchen ist eine fantastische Figur: Bedingungslos glaubend ist sie im positiven Sinn weltfremd – nicht korrumpierbar.

Inszenierung Ebenso poetisch wie witzig.

Spiel Erstklassig.

Pippi von Heilbronn
Sarah Viktoria Frick als Käthchen
Pippi von Heilbronn
Sarah Viktoria Frick als Käthchen

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