Wenn der Berg ruft

Startenor Piotr Beczala singt am 15. Juni in Wien Richard Tauber.
Der Startenor ist am Gipfel angekommen, um zu bleiben.

Singen ist wie Bergsteigen. Man kommt verhältnismäßig leicht auf dem Gipfel an. Viel schwerer aber ist es, auch oben zu bleiben." Piotr Beczala weiß, wovon er spricht. Binnen kurzer Zeit hat der polnische Tenor die größten Opernhäuser der Welt erobert – allerdings erst nach einigen Jahren am Landestheater Linz, "wo ich unendlich viel gelernt habe und wo ich mich in allen Genres ausprobieren durfte".

Daheim in allen Genres – das ist bis heute ein künstlerisches Markenzeichen des "Wahl-Wieners aus Leidenschaft". Am 15. Juni wird Beczala wieder seine Vielseitigkeit demonstrieren. Dann singt er im Rahmen der Reihe "Great Voices" im Wiener Konzerthaus sein auch auf CD verewigtes (großartiges) Richard-Tauber-Programm. Inklusive solcher Hits wie "Dein ist mein ganzes Herz". Begleitet wird er vom Symphonieorchesters der Volksoper Wien unter der Leitung von Lukasz Borowicz.

Großes Vorbild

"Richard Tauber hat mich schon als Kind fasziniert. Er war ein absoluter Jahrhundert-Sänger, auch ein Vorbild, wenn man so will. Als ich die Tauber-CD für die Deutsche Grammophon eingespielt habe, war die große Frage: Welche Lieder lasse ich weg? Und ehrlich gesagt: Mit tut um jedes einzelne Stück leid, das ich nicht auf der CD singen konnte." Eine zweite Einspielung mit Tauber-Liedern wird es in absehbarer Zeit aber nicht geben. Denn, so Beczala: "Ich bin schon beim nächsten Giganten, bei Robert Stolz. Da gibt es viel zu entdecken. Und man sollte immer aufpassen, was man wann singt."

War dieses "Aufpassen" auch der Grund dafür, dass Beczala die Titelpartie in "Hoffmanns Erzählungen" an der Wiener Staatsoper zurückgelegt hat? "Das habe ich ganz bewusst gemacht. Ich habe diese Rolle studiert, ich hätte sie stimmlich auch singen können. Aber ich habe gar keinen Zugang zu dieser Figur gefunden. Dann ist es besser, man lässt es sein."

Großes Abenteuer

Dafür kommen andere, teils auch neue Partien. "In Wien singe ich im September meinen ersten Prinzen in Dvoráks ,Rusalka‘; im Dezember folgt der Herzog in Verdis ,Rigoletto‘. Für die Salzburger Festspiele habe ich einen hoffentlich sehr schönen Liederabend konzipiert, auch das französische Repertoire werde ich stärker pflegen. Und 2016 singe ich in Dresden mit Anna Netrebko und Dirigent Christian Thielemann erstmals Wagners ,Lohengrin‘. Das wird ein Ausflug in ein mir noch fremdes Fach. Es bleibt vorerst bei diesem einzigen Wagner-Abenteuer."

Was aber würde ein Superstar wie Beczala jungen Kollegen für ihre Karriere-Planung raten? "Geht es langsam an, lasst euch Zeit. Die Kunst besteht nicht darin, schnell Erfolg zu haben. Die Kunst besteht darin, diesen Erfolg beständig zu wiederholen. Man kann da sehr leicht abstürzen." Und: "Man muss auch nicht jeden Gipfel erklimmen."

Das bezieht Beczala auf die Mailänder Scala, wo er ausgebuht wurde, weil er einen in der Partitur nicht vorgesehenen, aber oft gesungenen Spitzenton verweigerte. "Das Thema Scala ist für mich abgeschlossen. Es gibt viel schönere Berge, die auch eine weit bessere künstlerische Aussicht bieten."

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