Peter Stein: "Wir leben ja die Mittelmäßigkeit"

Peter Steins Inszenierung von "Simon Boccanegra" an der Wiener Staatsoper
Der Regisseur probt an der Staatsoper; im Künstlerhaus ist ihm eine große Ausstellung gewidmet.
Peter Stein: "Wir leben ja die Mittelmäßigkeit"
APA19774326-2_12082014 - SALZBURG - ÖSTERREICH: Regisseur Peter Stein am Dienstag, 12. August 2014, während der Pressekonferenz zur Neuproduktion der Oper "Fierrabras", die im Rahmen der "Salzburger Festspiele" am 13.08.2014 Premiere hat. FOTO: APA/NEUMAYR/MMV
Seine neueste Arbeit ist ab 13. Dezember an der Staatsoper zu sehen. Dann nämlich hat Janáčeks "Die Sache Makropoulos" in der Inszenierung von Peter Stein Premiere. Wer andere, teils legendäre Arbeiten des Regisseurs bestaunen will, kann dies noch bis 14. Februar im Wiener Künstlerhaus tun, wo auf einer Fläche von mehr als 1000 Quadratmetern insgesamt 46 Videos älterer Inszenierungen des Theaterpioniers in ganzer Länge über Monitore flimmern. Dazu gibt es Programmhefte, Plakate und Interviews mit und über Peter Stein – eine Sonderausstellung als Hommage.

Anheben

Zwei Jahre lief die Vorbereitungszeit, sagt Kurator Christian Meyer. Stein selbst war in die Auswahl immer eingebunden. "Wir haben nur das genommen, was auch technisch repräsentabel ist", so Peter Stein im KURIER-Gespräch. Wie es ihm mit der Ausstellung gehe? "Gut", erklärt Stein. Und weiter: "Da sind ein paar schöne Arbeiten mit dabei." Obwohl, so der einstige Assistent des legendären Fritz Kortner: "Wir leben auf dem Theater ja die Mittelmäßigkeit. Das gilt auch für mich. Wir können nur versuchen, diese Mittelmäßigkeit ein wenig anzuheben", so der ehemalige Intendant der Berliner Schaubühne und Ex-Schauspielchef der Salzburger Festspiele.

Stein, der aufgrund seiner extrem werktreuen, konservativen Interpretationen geliebt oder kritisiert wird, weiter: "Ich gebe Ihnen ein Beispiel für dieses ,Anheben‘: Kortner etwa hat Schauspieler immer bis aufs Blut gequält. Eines Tages entgegnete ihm einer: ,Schauen Sie, ich kann ihnen 20 Pfennig geben, manchmal auch 50 Pfennig, aber mehr als eine DM-Mark ist künstlerisch nicht drin.‘ Das nenne ich Ehrlichkeit."

Suchen

Gibt es aber für Stein, der sowohl Oper als auch Schauspiel inszeniert, einen Unterschied zwischen diesen beiden Sparten? "Ja, im Sprechtheater ist der Regisseur der erste Mann. In der Oper ist das der Dirigent. Da kommt der Regisseur erst an zweiter Stelle. Ich habe ja erst relativ spät zur Oper gefunden. Dafür bekomme ich jetzt vor allem für Opern Angebote. Allein nächstes Jahr mache ich ,Damnation de Faust‘ von Berlioz am Bolschoi in Moskau, dann Mozarts ,Zauberflöte’ an der Mailänder Scala und dann noch Mozarts ,Nozze di Figaro’ in Malmö, was fast ein Schwachsinn ist. Den ,Figaro’ hätte ich vielleicht nicht annehmen sollen. Ja, der ,Don Giovanni’ ist die Krone der Oper, aber ,Figaro’? Da bin ich noch sehr auf der Suche", sinniert Stein.

Peter Stein: "Wir leben ja die Mittelmäßigkeit"
epa03824573 A picture made available on 14 August 2013 shows Thomas Hampson as 'Rodrigo, Marchese di Posa' and Jonas Kaufmann (R) as 'Don Carlo' and Anja Harteros as 'Elisabetta di Valois' performing during a photo rehearsal of the opera 'Don Carlo' as part of the Salzburg Festival 2013 in Grosses Festspielhaus in Salzburg, Austria, 08 August 2013. EPA/NEUMAYR
Stein, der über Jahre hinweg oft mit einem identen Pool an Schauspielern wie Edith Clever, Jutta Lampe, Bruno Ganz, Otto Sander, Peter Simonischek, Maddalena Crippa oder auch Klaus Maria Brandauer zusammengearbeitet hat, über Sänger. "Die Oper ist auch deswegen eine ganz andere Sache als das reine Sprechtheater, weil man es da nicht immer mit auch schauspielerisch begabten Sängern zu tun hat. Manche Sänger werden auf der Bühne nur geduldet, weil sie so schön singen können." Und dann gebe es da auch die Arbeit mit Stars wie Jonas Kaufmann. "Man ist als Regisseur also ganz anders gefordert, herausgefordert."

Lernen

Peter Stein: "Wir leben ja die Mittelmäßigkeit"
Bruno Ganz (l) als "Faust" und Robert Hunger-Bühler (r) als "Mephistopheles" proben seit dem 1. September 1999 in Hannover für die ungekürzte Inszenierung des Goetheschen "Faust I & II" von Peter Stein (Foto vom 15.12.1999). Premiere des 21-Stunden-Theatermarathons ist am 22. und 23. Juli auf der EXPO in Hannover. dpa/lni (zu lni-KORR.: "Peter Steins 'Faust': Ein 21-Stunden-Theatermarathon auf der EXPO" vom 12.01.2000)
Gibt es eigentlich Inszenierungen, die Stein im Nachhinein für besonders gelungen hält? "Der legendäre ,Faust‘-Marathon, bei dem wir ,Faust 1‘ und ,Faust 2‘ in ungekürzter Länge gemacht haben, war vom Aufwand her sicher gigantisch. Sonst vor allem meine Inszenierung von Tschechows ,Drei Schwestern‘ 1984 an der Berliner Schaubühne. Da können sie viel lernen. Über die Wechselwirkung von Tschechow und Stanislawski, da ist also Theatergeschichte drinnen. Giorgio Strehler hat es auch mit einigen Inszenierungen geschafft, neben dem Werk zugleich auch Theatergeschichte zu erzählen, vor allem bei Stücken von Goldoni."

Nachsatz: "In der Oper ist es schwerer, auch etwas von Aufführungstradition zu vermitteln. Aber hin und wieder kann es ansatzweise gelingen. Wir werden sehen, wie das jetzt dann bei Janáček wird. Die Sänger und der Dirigent sind toll. Aber wie gesagt: Da bin ich nur der zweite Mann, nicht der erste."

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