Handke in Stockholm: "Lieber Klopapier als Ihre leeren Fragen"
Am Freitag ist der österreichische Literaturnobelpreis-Träger Peter Handke in Stockholm vor die Presse getreten. Nach der Gewinnerin 2018, Olga Togarczuk, gab er eine Pressekonferenz. "Ich fühle mich überall entfremdet", sagte Handke. Zur Debatte um seine Serbiendebatte sagte er: "Es ist eine lange Geschichte. Es ist nicht der Moment, diese Geschichte wieder zu erzählen."
Handke zeigte sich dann doch irritiert von den Fragen: "Lieber Klopapier als Ihre leeren Fragen", sagte Handke später.
Er wurde von einem Journalisten, Peter Maas, der zuletzt sehr kritisch in Bezug auf die Verleihung war, dennoch darauf angesprochen, ob er die Fakten der internationalen Kriegsverbrechertribunale über u.a. das Massaker in Serbien anerkenne und warum er sie nicht in seinen Büchern niederschreibe. "Ich mag diese Fragen", sagte Handke". "Es ist die einzige Frage. Aber Sie haben viele Fragen. Machen Sie weiter."
Als Antwort las Handke dann aus einem Brief vor, der sich mit Handkes Werk auseinandersetzt. "Sie haben Ihre Karriere als Provokateur gestartet", hieß es darin. Ob das "Verlangen, für Aufruhr zu sorgen", eine Rolle bei seinen Texten über Serbien gespielt habe, wird in dem Brief gefragt. Es sei klar, dass diese für Aufregung sorgen würden - und sie erinnern den Briefschreiber an Trumps Twitter-Meldungen. Und dann "die beste aller Fragen", sagte Handke. "Wenn Sie morgen sterben würden, würde das in den Nachrufen im zweiten Satz stehen? Wie fühlen Sie sich dabei? Wird das jemals vergessen? Und werden Sie jemals nur Autor sein?"
Handke habe viele Briefe bekommen, die von Herzen kommen. Nur in einem war "Klopapier mit einer Kalligrafie aus Scheiße." Handke: "Und ich sagen Ihnen allen, die hier Ihre Fragen stellen wie dieser Mann. Ich bevorzuge Toilettenpapier, einen anonymen Brief mit Klopapier, gegenüber ihren leeren und ignoranten Fragen. Ich nehme den Anlass wahr, um mich für diese wundervollen Briefe, die ich nicht beantworten konnte, zu bedanken. Das war eine wundervolle Sache.“
Er wolle aber "keine Ihrer Fragen beantworten." Und zu den Journalisten: "Meine Menschen sind Leser, nicht Sie."
Mit diesen Worten ging er ab.
Handke hatte sich zuvor an einen Besuch in Oslo vor einigen Jahren erinnert, auch dort habe es Proteste gegen ihn gegeben. "Sie haben mich Faschist genannt, ich blieb stehen und fragte, ob sie mit mir reden wollen", sagte er laut Schwedischem Fernsehen. "Aber sie wollten nicht, und ich weiß nicht, was ich sonst tun soll. Haben Sie einen Rat?", fragte Handke einen Reporter. "Vielleicht brauche ich Ihren Rat?"
"Ich schreibe nicht mit Meinungen. Ich hatte nie eine Meinung. Ich hasse Meinungen", sagte Handke dazu, ob er seine Meinung ändern würde. "Ich mag Literatur, keine Meinungen."
Gibt es eine Geste der Versöhnung von ihm? "Ich wollte mich mit zwei verschiedenen Müttern treffen", sagte Handke, "die ihre Kinder in Kriegen verloren haben. Eine auf der serbischen, einer auf der muslimischen Seite. Aber mir wurde gesagt, das sei nicht möglich."
Mit Gesang
Vor den schiefen Tönen gab es ein Geburtstagsständchen für Handke.
"Danke, danke", sagte Handke auf Schwedisch.
Auf die Frage, ob der Preis sein Schreiben verändern würde, sagte er: "Nein, keineswegs." Befragt über seine derzeitige literarische Arbeit, verwies er auf die Nobelpreisrede am Samstag.
Zuvor hatte der Protest Handke auch in Stockholm eingeholt. So bleibt der ehemalige Sekretär der Schwedischen Akademie, Peter Englund, der Nobelpreiswoche fern - aus Protest gegen die Kür Handkes, berichtet Dagens Nyheter. Die Verleihung an Handke zu feiern wäre "Heuchelei", sagte Englund der Zeitung. Der 62-jährige Schriftsteller hatte in den 1990er Jahren für die schwedische Tageszeitung vom Balkankrieg berichtet. Englund platzierte seine Botschaft wenige Stunden vor der offiziellen Nobelpreis-Pressekonferenz mit Handke in Stockholm.
In einem Interview mit dem Sender SVT sprach Handke wieder von einem "Brudermord" am Balkan. Er wolle das Wort "Genozid" nicht verwenden, sagte er. Etwas "in Relation zu setzen, heißt aber nicht, etwas zu leugnen". Und wenn Menschen "Genozid" sagen: "Warum nicht? Dann ist das so. Ich will mich darin nicht verlieren."
Olga Tokarczuk "mächtig stolz" auf ihren Preis
Ungeachtet der Debatte um den weiteren Preisträger Peter Handke ist die polnische Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk mächtig stolz auf ihre Auszeichnung. „Ich bin stolz, die 15. Frau zu sein, die den Nobelpreis erhält, 110 Jahre nach der ersten Frau Selma Lagerlöf. Ich bin davon überzeugt, dass ich ihn nicht bekomme, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich Bücher schreibe“, sagte die Preisträgerin am Freitag auf einer Pressekonferenz in der Schwedischen Akademie in Stockholm. Sie gehe fest davon aus, dass es in Zukunft mehr weibliche Preisträgerinnen geben werde. Zur Kontroverse um Handke äußerte sie sich nicht.
Was ihr bei der Recherche zu ihrem Werk „Die Jakobsbücher“ begnet sei, sei die Tatsache, dass Frauen in der Geschichtsschreibung zu wenig beachtet würden, sagte Tokarczuk (57). Dies gelte etwa für die Frauen, die in der Solidaritätsbewegung in Polen aktiv gewesen seien. „Das passiert nicht, weil sie sich nicht beteiligt haben oder nicht aktiv waren, sondern weil das nicht dokumentiert wurde. Diese Nicht-Dokumentation geht bis heute weiter“, sagte die Preisträgerin.
Ihre Auszeichnung widme sie dem Kampf gegen autoritäre Entwicklungen. „Meine spontane Reaktion ist gewesen, diesen Preis der politischen Bewegung in Polen zu widmen“, sagte sie. „Wir sind eine gespaltene Gesellschaft“, sagte sie über ihr Heimatland.
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