Peter Gabriel: Nostalgie in der Stadthalle

Peter Gabriel überzeugte in der Wiener Stadthalle auf voller Länge. Peter Gabriel inszenierte ein audiovisuelles Spektakel mit hohem Nostalgiefaktor.
Peter Gabriel war „Back to Front“ in der Wiener Stadthalle.

Eine Gnade, dass Peter Gabriel auf seiner „Back to Front“-Tour seine Rocksongs nicht, übersetzt in Orchesterwerke, in einem Meer aus Streichern ertränkt. Der 63-Jährige kündigt Donnerstag in der Wiener Stadthalle in deutscher Sprache ein dreigängiges Menü an: Vorspeise, Hauptgang und Dessert.

Und singt sich solo ein am Klavier. Das „noch nicht fertigen“ Lied „Obut“ begleitet nur Tony Levin dezent am Bass. Dann legt auch der Rest der Originalband der 1986er-Tour los – mit David Rhodes (Gitarre), David Sancious (Keyboard) und Manu Katché (Schlagzeug): „Come Talk To Me“ schmiegt sich an wie ein warme, weiche Tuchent. Die Ziehharmonika gibt die Grundstimmung des Abends vor: Nostalgie.

Schon bei „Shock The Monkey“ setzt kollektives Schunkeln und Mitklatschen ein. Bei „Family Snapshot“ findet Punkt 21 Uhr endlich jemand den Schalter und knipst das Saallicht aus.

Jetzt ist Showtime. Jetzt wippen die Scheinwerferkräne zu „No Self Control“ über den Köpfen der Musiker. Jetzt bekommen zu „Red Rain“ auch die Augen Futter zum typisch knarzigen Angst-Timbre des Frontman, der in den 70er-Jahren mit Genesis für etwas stand, was man „Progressive Rock“ nannte.

Bilder vom Konzert in der Wiener Stadthalle

Peter Gabriel: Nostalgie in der Stadthalle

KONZERT: PETER GABRIEL
Peter Gabriel: Nostalgie in der Stadthalle

KONZERT: PETER GABRIEL
Peter Gabriel: Nostalgie in der Stadthalle

KONZERT: PETER GABRIEL
Peter Gabriel: Nostalgie in der Stadthalle

KONZERT: PETER GABRIEL
Peter Gabriel: Nostalgie in der Stadthalle

KONZERT: PETER GABRIEL
Peter Gabriel: Nostalgie in der Stadthalle

KONZERT: PETER GABRIEL
Peter Gabriel: Nostalgie in der Stadthalle

KONZERT: PETER GABRIEL

Die Stimme erinnert an eine ein bisschen zu oft abgespielte Langspielplatte, ist aber immer noch vibrierend, immer flehend und leicht wehklagend, wie geschaffen für den Soundtrack zu einer Dritte-Mann-Tour in die Kanalisation – und unverkennbar Peter Gabriel. Dazu passen Mystery und Düsternis von Stücken wie das große Flehen um Erbarmen „Solsbury Hill“, „Red Rain“ oder „Mercy Street“.

Ob „Secret World“, „The Family and the Fishing Net“ oder „Don’t Give Up“ im Duett: Egal, was zwischen Flüstern und Schrei aus Gabriels Kehle kommt, vokal ist da immer dieses gepresste Jammern und Leiden, garniert meist mit Bombast. Man muss es nicht Kitsch, man kann es auch Authentizität nennen. Schließlich können ganz Gewiefte wie Gabriel manieriert und authentisch klingen.

Der wirkt mit Glatze und figürlich mit vertrauenerweckender Tropfenform wie Onkel Buddha, aber verblüfft mit einigen Hüpferchen. Dann plötzlich geht zum Rumpelrhythmus ein Ah und Oh der Wiedererkennungsfreude durch die Halle: „Sledgehammer“, gespickt mit witzigen sexuellen Anspielungen vom Hit-Album „So“ aus dem Jahre 1986, provoziert Jugenderinnerung und Action beim Publikum, also mit den Köpfen nicken und den Hüften wiegen. „So“ in voller Länge, von vorn bis hinten live gespielt, als Nachtisch gereicht, bringt, was Mehlspeistiger ohnehin wissen: Das Dessert ist der Höhepunkt. Und die Anti-Apartheidshymne „Biko“ als zweite Zugabe ein stimmiges Finale geronto-emotionaler Hängenbleiber, die man lange nicht aus dem Ohren bekommt.

KURIER-Wertung:

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