Große Oper als Reality-TV-Show

Das Fernsehteam setzt bewusst auf exotischen Kitsch: Bizets „Perlenfischer“ werden im Theater an der Wien zu einer Art Dschungelcamp
Lotte de Beer inszeniert Bizets "Perlenfischer", Diana Damrau singt die Hauptrolle.

Eines ist sicher: Diese Produktion wird niemanden kalt lassen. Denn wenn am Sonntag im Theater an der Wien Georges Bizets selten gespielte Oper "Die Perlenfischer" Premiere hat, sind Reality-TV-Shows der Marke Dschungelcamp zum Greifen nah.

Der Grund: Die junge niederländische Regisseurin Lotte de Beer – sie sorgte vergangene Saison mit einer fabelhaft heutigen "Bohème" in der Kammeroper für Furore – verlegt Bizets Dreiecksgeschichte ins Heute. Kameras, TV-Studio und Publikumsvoting inklusive.

Dreiecksgeschichte

Große Oper als Reality-TV-Show
ABD0070_20141106 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA0405 VOM 6.11.2014 - Die deutsche Sopranistin Diana Damrau auf einem undatierten Archivbild. Damrau steht ab 16. November in der Bizet-Oper "Les Pecheurs de Perles" (Die Perlenfischer) auf der Bühne des Theaters an der Wien. - FOTO: APA/VEREINIGTE BÜHNEN WIEN/REBECCA FAY ERATO - +++ WIR WEISEN AUSDRÜCKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GRÜNDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEFÜHRTEN ZWECK ERFOLGEN DARF - VOLLSTÄNDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND +++
Doch worum geht es in "Les Pêcheurs des Perles" eigentlich? Bizets 1863 uraufgeführtes, dem damals gängigen Exotismus verpflichtetes Werk spielt auf Ceylon. Priesterin Leila – an der Wien von Diana Damrau verkörpert – betet für das Wohl der Fischer und wird von zwei Männern geliebt. Von dem Jäger Nadir und dem Fischer Zurga, die befreundet sind. Dazu gibt es den Gemeindeältesten Nourabad und das wankelmütige Volk. Nach Verwicklungen sollen Leila und Nadir wegen angeblichem Eidesbruch verbrannt werden. Zurga aber befreit das Paar, das fliehen kann.

"Dieser Stoff riecht förmlich nach Entertainment, und man hört ein gewisses Showelement auch in der Musik", sagt Lotte de Beer im KURIER-Gespräch. "Die Geschichte ist so unrealistisch, dass man einen Weg finden muss, um die Gefühle der Protagonisten glaubhaft zu machen. Da kam mir die Idee einer Reality-Show. Bei uns ist Leila eine Kandidatin der Show ,Perlenfischer – The Challenge‘, eine Frau auf Selbstfindungstrip. Für die Show muss sie der Sexualität abschwören. Doch das Studio setzt ihr an einem echten Strand in die übertrieben kitschige Deko zwei Ex-Freunde hinein, um an der Emotionsschraube zu drehen. Die Liebe ist echt, alles andere aber ist Entertainment. Nourabad ist der zynische TV-Moderator, der den Chor, das Fernseh-Publikum manipuliert. Das geht bis zur Frage: Leben oder Tod."

Große Oper als Reality-TV-Show
Lotte de Beer
De Beer weiter: "Schließlich dreht sich ja heute alles um die Quote. Mich hat dabei auch das Verhältnis zwischen Demokratie und Medien interessiert. Wer bestimmt über uns? Wie frei sind wir eigentlich im Leben und in unseren Gefühlen?"

Und Diana Damrau ergänzt: "Als Lotte mir dieses Konzept vorgelegt hat, war ich kurz irritiert. Aber es funktioniert großartig." Und wie hält es die Starsopranistin privat mit Shows wie dem "Dschungelcamp"? "Ich habe zwei, drei Mal hineingezappt. Aber ganz ehrlich, das ist nichts für mich. Doch ich kann verstehen, dass es Menschen gibt, die so etwas mögen. Professionell gemacht ist die Show auf jeden Fall."

Stimmlich sei die Partie der Leila anspruchsvoll, aber " schön", so Damrau, die diese Rolle demnächst auch an der New Yorker MET singen wird. Lachend: "Dann wird die Inszenierung aber ein bisschen anders ausfallen."

Nach den Wiener "Perlenfischern" geht es für die mit Bassbariton Nicolas Testé verheiratete Mutter von zwei Kindern an die Bayerische Staatsoper. In München hat am 26. Jänner eine Neuproduktion von Donizettis "Lucia di Lammermoor" Premiere.

Diese Oper hat Damrau auch auf CD eingespielt; das neue Projekt der Künstlerin heißt "FIAMMA del Belcanto". Damrau dazu: "Diese Musik liegt mir einfach und ich werde Bellini, Donizetti, Verdi und Puccini noch lange treu bleiben." In Wien stellt sie Arien dieser Komponisten am 15. April im Konzerthaus vor. Damrau: "Aber vorher muss noch das Bizet-Entertainment funktionieren."

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