Für Swinton ist es nach dem Kurzfilm „The Human Voice“ nicht die erste Zusammenarbeit mit dem Mann von La Mancha; neu zum Almodóvar-Cast aber ist Julianne Moore gestoßen, die erstmals mit Swinton gemeinsam vor die Kamera tritt.
Wiedersehen von zwei Freundinnen
In „The Room Next Door“ (Kinostart: 25. Oktober) spielen sie zwei Freundinnen namens Ingrid (Julianne Moore) und Martha (Tilda Swinton), die sich nach Jahren in New York wiedersehen – allerdings unter traurigen Umständen: Martha liegt mit einer Krebserkrankung im Spital, Ingrid sinkt erschüttert an ihrem Bettrand nieder. In den Gesprächen, die folgen, rekapitulieren die beiden Frauen die wichtigsten Stationen ihres Lebens. Martha quält sich vor allem mit der Schuld, als Mutter versagt zu haben. Als die Krankheit voranschreitet, bittet sie Ingrid, sie bis zu ihrem Tod, dessen Datum sie selbst auswählen möchte, zu begleiten – „in einem Raum nebenan“.
Almodóvar lässt in „The Room Next Door“ alle seine filmischen Passionen aufleben: Sein Liebe zum Melodram ebenso wie seine Neigung für unterschwellige Thrillerspannung. In den flammenden Primärfarben Blau, Grün, Rot und Gelb eines Douglas Sirk und eines Alfred Hitchcock entwirft Almodóvar sowohl die New Yorker Kulissen als auch die Innenräume der privaten Villa, die Martha für ihre letzten Lebenstage anmietet. Sie schwanke zwischen Euphorie und Depression, sagt Martha einmal zu Ingrid am Beginn ihrer Begegnung. Almodóvars große Kunst besteht darin, zwischen diesen Polen die Gefühlsstürme schwerer existenzieller Themen zu entfesseln, ohne dabei jemals die Leichtigkeit zu verlieren. Die makellose Ästhetik seiner Bilder in Kombination mit dem hinreißenden Spiel der Schauspielerinnen verbindet sich zu einer Hommage an die Schönheit des Lebens – auch, oder gerade vor dem unübersehbaren Abgrund des Todes.
Österreichische Filmproduktionen finden sich heuer keine im Hauptwettbewerb, beeindrucken aber dafür in den Nebenpfaden des Filmfestivals. Bernhard Wenger feierte mit „Pfau“ seine erfolgreiche Premiere. Nach Kurzfilmen wie „Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“ (2018), besticht der 32-jährige Salzburger nun mit seinem ersten Langfilm.
„Möchtest du lieber Rotwein oder Weißwein?“
„Wie du willst. Da richte ich mich ganz nach dir.“
Internet-Bewertung
Wenn die ewige Rücksichtnahme des Partners zu nerven anfängt, setzt Wengers lakonische Sittenkomödie „Pfau“ ein. Albrecht Schuch („Im Westen nichts Neues“) verkörpert kongenial einen Dienstleister namens Matthias, der sich von seinen Kunden für bestimmte Lebenssituationen engagieren lässt. Er spielt den braven Sohn, den kundigen Konzertbegleiter, den perfekten Boyfriend – je nachdem, was gewünscht wird. Sex gehört nicht dazu. Irgendwann hat er seine chamäleonartigen Escort-Leistungen dermaßen verinnerlicht, dass er alle spielen kann – nur nicht sich selbst.
Die Eindrücke, die das ironische Arthousekino mit Regisseuren wie Giorgos Lanthimos und Ruben Östlund in Wengers Werk hinterlassen haben, sind unübersehbar. Doch im gewitzt eingesetzten Pastiche entsteht neues Leben: Wengers Dramedy entfaltet seine Komik zwischen den Eitelkeiten von sozialem Status, gesellschaftlicher Angeberei und der Sehnsucht nach Anerkennung jenseits einer Internet-Bewertung.
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