Paul Plut veröffentlicht "Herbarium": "Ich denke lieber klein"
Der österreichische Singer-Songwriter hat mit „Herbarium“ ein neues Album vorgelegt. Es ist eine berührende Liedersammlung, der Soundtrack seiner letzten zwei Jahre.
Der Posteingang geht über: 127 ungelesene Mails. Hier Werbung, Spam bzw. eine Einladung zum Investment für eine Firma in Dubai, die es gar nicht gibt, dort eine fehlgeschlagene Paketzustellung, weil man vergessen hat, die Kreditkartennummer anzugeben. Es sind die Hürden und Fallen des täglichen E-Mail-Verkehrs. Erhellendes gibt es hingegen kaum. Wenn dann zur Abwechslung einmal ein neuer Newsletter von Paul Plut ins Postfach flattert, klickt man sofort freudig darauf. Denn in seinen Rundschreiben erzählt der Musiker, an was er gerade arbeitet, was ihn beschäftigt.
Mit unaufgeregten Sätzen beschreibt Paul Plut die Entstehungsgeschichten zu seinen Songs: „Es gibt immer Geschichten zu Liedern. Diese zu verschriftlichen, stellt zwar einen Mehraufwand dar, aber durch das Schreiben stellt sich für mich auch ein Mehrwert ein. Ich kann so das Chaos besser einordnen, das Leben besser reflektieren. Das Schreiben ist wie ein Temperaturmessen. Man schaut, wie es einen geht, wie man auf politische Nachrichten reagiert, damit umgeht, was der Alltag mit einem macht. Sei es im privaten oder im globalen Wahnsinn“, erzählt der Singer-Songwriter im Gespräch.
Salz, Steyr, Stolz
Dieses großartige Newsletter-Konzept hat Plut bereits bei seinem ersten Soloalbum „Lieder vom Tanzen und Sterben“ (2017) verfolgt. Weiter ging es mit „Ramsau am Dachstein nach der Apokalypse“ (2021). Und nun folgt sein drittes Album, wie der 35-Jährige kürzlich in seinem neuesten Newsletter verkündet hat: „Guten Morgen, heute ist der erste März, der Marillenbaum vor meinem Fenster beginnt zu blühen und es ist Zeit für etwas Neues.“ Die vorgelegte Songsammlung heißt „Herbarium“ und umfasst zehn unterschiedliche Pflänzchen, also Lieder, die in den vergangenen zwei Jahren „gewachsen“ sind. Es sind eigene, fremde, im Dialekt oder auf Hochdeutsch, Englisch dargebotene Stücke – darunter auch Kollaboration und Coverversionen.
Man hört 43 Minuten Musik, Musik, die der Wahl-Wiener aus Schladming für unterschiedliche Anlässe und an unterschiedlichen Orten geschrieben hat. Das Album beginnt mit dem kargen, nur mit einem Akkordeon ausgestatteten „Lucken in der Landschaft“, das er von einem Besuch in Steyr (OÖ) mitgenommen hat. „Ich komponierte die Musik für einen Theaterparkour in der Arbeitersiedlung auf der Ennsleiten (...). Es ist ein Lied, das anschwillt, wie die Enns nach der Schneeschmelze“, wie Paul Plut im Beipackzettel zu diesem berührenden Lied schreibt.
„Salz“ ist bei einem Aufenthalt in Hallein entstanden. „Es ist ein poetischer Stammbaum des Ortes“, erklärt Paul Plut. „Dein stolzes Herz“ ist altes rumänisches Volkslied, das der große, aber leider schon verstorbene Sänger Kurt Girk (1932–2019) beim Heurigen gerne auf Wienerisch mit viel Hingabe dargeboten hat. Bei der Version von Paul Plut singt die Schauspielerin Barca Baxant ähnlich ergreifend.
Gecovert hat er u. a. auch noch „Devil Town“ des US-amerikanischen Musikers Daniel Johnston (1961–2019). „Der war für mich schon immer ein Vorbild. Er steht dafür, dass es kein großes Studio, kein Label, kein Management braucht, um Musik zu veröffentlichen“, sagt Plut, der seit Jahren ebenfalls seinen eigenen Weg geht.
Kassettendeck
Mit dem Leitspruch „Think Big“ könne er nichts anfangen. „Ich denke lieber klein: in kleinen Auflagen, in kleinen Schritten. Ich will nicht Teil dieser Musikindustrie sein. Alle Gespräche, die ich mit Majorlabels geführt habe, waren ernüchternd. Logisch bzw. konsequent daher auch, dass er „Herbarium“ im Eigenverlag ausschließlich auf Kassette und via Download veröffentlicht. Die Kassetten überspiele er eigenhändig im Studio, „ein total schöner Prozess.“
Die reduzierte Instrumentierung auf „Herbarium“ sei dem Arbeitskontext geschuldet, „denn einige Songs auf dem Album wurden fürs Theater geschrieben. Und da muss man ohne große Arrangements auskommen. Ich wollte die Songs nicht unnötig aufblasen und mit Sounds zupflastern“, sagt der Musiker. Weniger war bei Paul Plut immer schon mehr.
Paul Plut: Mit Charts und Formatradios hat die Musik des Wahl-Wieners aus Schladming in der Steiermark nicht viel am Hut. Stattdessen liefert der 35-Jährige seit Jahren großartige wie berührende Songs ab, an denen man sich festhalten kann, die Reibung erzeugen und einen oft auch nachdenklich, aber nicht unglücklich zurücklassen
Live: Paul Plut ist mit „Herbarium“ unterwegs: Wien (13.3., WUK); Graz (14.3, Orpheum); Salzburg, (15.3. ARGE); Linz, (16.3. Stadtwerkstatt). Weitere Termine: paulplut.com
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