Paul & Pauline: Von Facebook zum Buch

Paul & Pauline: Von Facebook zum Buch
Paul und Pauline sind virtuelle Charaktere, die mit ihren realen Freunden gegen den Schweinehund kämpfen. Auf ungewöhnliche Art ist ein Ratgeber entstanden.

Mit dem Rauchen aufhören, auf Schokolade und Chips verzichten, damit die Hose wieder passt, mehr Sport, eine gesündere Lebensweise... Wer kennt sie nicht, die guten Vorsätze, deren Realisierung wir immer wieder verschieben. So geht es auch Paul und Pauline, die auf Facebook bereits tausende Freunde gefunden haben. Rund um die beiden virtuellen Charaktere hat sich eine rege Community entwickelt, die sich über ihre Probleme mit dem allseits bekannten inneren Schweinehund austauscht. Persönliche Erlebnisse, den individuellen Umgang mit Lastern und wissenschaftliche bzw. lebensphilosophische Modellen zu verbinden, war der Beweggrund des Autors und Wirtschaftswissenschaftlers Gerhard Furtmüller. Im KURIER.at-Interview erzählt er, wie es zu dem Facebook-Projekt kam, wie daraus ein Buch wurde und was dahinter steckt.

Welches ist Ihr größtes Laster?
Gerhard Furtmüller: Das Aufschieben von Dingen.

Hat Sie diese persönliche Schwäche auf die Idee gebracht, Paul und Pauline Leben einzuhauchen?
Ja, und als Wirtschaftspädagoge interessiert mich immer die Frage, wie ich Inhalte vermittle, sodass andere einen Nutzen davon haben.

Wer steckt hinter diesen beiden fiktiven Charakteren und was verbindet Sie mit ihnen?
Also ich liebe den Paul und ich glaube, dass er mir sehr nahe ist. Vor allem war das Rauchen aufhören eine meiner größten Leistungen. Zugleich haben wir alle aber so etwas wie einen inneren Schweinehund. Daher werden die beiden Charaktere auch real.
Die Facebook-Seiten werden von Expertinnen betreut, die die Inhalte leben und eine hohe Sensibilität für die Community haben.

Paul & Pauline: Von Facebook zum Buch

Wie und wann wurde das Projekt gestartet?
Das Projekt wurde bereits im Frühjahr 2010 gestartet, in dem meine Co-Autorin Valerie Michaelis und ich die Geschichten verfassten.

War von Anfang an geplant, ein Buch daraus zu machen?
Jein, wir wollten die Geschichten und das dahinter liegende lebensphilosophische Modell veröffentlichen. Wir wussten aber nicht wie. Dabei hat uns die Facebook Community sehr geholfen und uns neue Wege aufgezeigt. Zum Beispiel hatten wir uns im Mai dieses Jahres bereits den Buchtitel "Aufschieberitis ade" überlegt. Die Community hat aber immer über den inneren Schweinehund gesprochen. Da wurden wir nachdenklich. Geworden ist es dann der Titel "Aus Gegenwind wird Rückenwind", den die Community im Rahmen einer Abstimmung festgelegt hat.

Man könnte sagen, Ihr Erfolg mit diesem Projekt basiert auf der Schwäche all jener, die es nicht schaffen, sich von ihren Lastern zu trennen ...
Wahrscheinlich geht es nicht nur um das Lasterhafte, sondern auch darum, wie man mit den Lastern umgeht. Wer kann und will schon immer an einem Eisstand bei 30 Grad vorbeigehen und sich nichts gönnen? Aber in Wahrheit geht es auch sehr stark um Witz und Unterhaltung in der Community.

Über 40.800 Facebook-Nutzern gefällt Paulines Seite. Wie schafft man es, die Aufmerksamkeit so vieler zu erregen?
Am Anfang waren es kleine Schritte. Wir waren schon bei 100, dann bei 200 Fans aufgeregt. Auf einmal hatten wir 1.000, dann 2.000 Fans. Wir spürten das große Interesse und vor allem das viele Feedback. Aus kleinen Schritten wurden größere.

Womit begründen Sie dieses große Interesse?

Pauline ist wahrscheinlich mit ihrem Hang zum Lifestyle am Puls der Zeit und die kleinen Schwächen machen sie wohl auch liebenswert.

Paul & Pauline: Von Facebook zum Buch

"Aus Gegenwind wird Rückenwind" - ist dieses Buch ein Sachbuch? Ein Ratgeber? Ein Auszug aus der Lebensgeschichte zweier Web 2.0-Charaktere, die viele Pendants in der wirklichen Welt haben?
Die Sachbücher wissen oft alles besser und die Ratgeberliteratur besteht häufig aus Checklisten. Wir haben mit den Geschichten im Buch und auf Facebook eine neue Form der Wissensdarstellung verwendet, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der Universität Harvard entwickelt wurde: Die Informationen werden in Erfahrungen eingebettet. So besteht die Möglichkeit, neues Wissen zu generieren. So ist es ein Sachbuch mit Unterhaltungswert geworden.

Sie bieten auch Seminare an, die sich mit dem Thema "Aufschieberitis" und der Behandlung dieser weitverbreiteten Krankheit beschäftigen. Gibt es noch andere Pläne für Paul und Pauline?
Wege entstehen beim Gehen. Das hat uns die Community aufgezeigt. Beispielsweise lieben die Fans von Pauline gutes Essen. Dazu gibt es unzählige Bilder von Fans auf der Facebook-Seite. Ein Thema, das wir in solcher Form nicht auf unserer Liste hatten. Und ich glaube, dass ist der Rückenwind, den uns die Community aufzeigen möchte: Beschäftigt euch u.a. mit Essen als Lifestyle Produkt.

Kann Ihr Projekt auch als Beispiel dafür gesehen werden, dass klassische Medien wie das Buch nicht zwangsläufig neuen weichen müssen, sondern auch Symbiosen möglich sind? Wo sehen Sie Potenzial, das noch verstärkt ausgeschöpft werden kann?
Ich glaube, dass wir bereits in eine völlige neue Form der Wissensproduktion eingetreten sind. Das Wissen ist zu einem großen Teil in der Bevölkerung vorhanden. 40.000 UserInnen wissen eben mehr als zwei BuchautorInnen. Durch die Nutzung der neuen Medien, zum Beispiel den Wikis, kann dieses Wissen aufbereitet und gesammelt werden. Die Publikation eines Buches bietet wiederum die Möglichkeit, das Wissen den Leserinnen und Lesern in gedruckter Form zur Verfügung zu stellen. Erfolgsmodelle dazu gibt es bereits, wenn wir beispielsweise an Wikipedia und die Darstellung in Buchform denken.

Das Buch ist in einem interaktiven Prozess entstanden. Die User wurden, wie Sie erzählt haben, dazu aufgerufen, Titelvorschläge zu machen. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? Ist das eine Aussicht für die Zukunft des Buchwesens - die Mitgestaltung des Lesers, die Interaktion mit dem Leser?
Man sollte einen roten Faden im Kopf haben und dann auf die Community hören. Dadurch kann ein Mehrwert für das ganze Buch entstehen und aus einem allfälligen Gegenwind tatsächlich Rückenwind werden.

Ihr Tipp für all jene, die der "Aufschieberitis" den Kampf ansagen wollen?
Tun. Meine wahrscheinlich größte Schwäche. Reden ist eben einfacher.

"Paul & Pauline - Aus Gegenwind wird Rückenwind" von Gerhard Furtmüller und Valerie Michaelis ist kürzlich im Wieser Verlag erschienen

Nähere Informationen siehe Links unten

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