Zu sehen ist ein großer Konzertsaal mit Notenpulten und Instrumenten, worin sich die gold-beigen Farben der Wiener Staatsoper spiegeln. Dahinter eine riesige Orgel, himmeltürartig aufklappbar, für die Erscheinung der Engel. In diesem Raum ohne Renaissance-Gepränge komponiert Giovanni Pierluigi Palestrina an einem kleinen Tischchen. Im zweiten Akt wird der Raum zum Sitzungssaal für das Konzil mit den hohen geistlichen Würdenträgern. Geprägt sind die Bilder überwiegend von semikonzertanter, oratorienhafter Statik.
Ein weiterer Grund dafür, dass das Werk eher selten aufgeführt wird, ist die Tatsache, dass das mit Pausen gut vierstündige im ersten Akt etwas langatmige Stück zur Realisierung allein 39 solistische Rollen, Chor und großes Orchester bedarf: Michael Spyres ist zwar ein optisch zu junger Palestrina, singt ihn wortdeutlich mit leuchtenden Tönen und Linienklarheit. Erfreulich sind auch die frischen, jubelnden Stimmen von Patrizia Nolz (Silla) und Kathrin Zukowski (Ighino).
Etwas mehr stimmliche Präsenz hätte man sich von Wolfgang Koch als Kardinal Borromeo gewünscht. Kernig hört man Michael Nagy (Morone), charakterscharf Michael Laurenz (Novagerio). Für den wirkungsvollen Kurzauftritt aus der Seitenloge ist Günther Groissböck als Papst Pius IV eine Luxusbesetzung. Ideal aus der großen Besetzungsriege singen auch Wolfgang Bankl (Madruscht), Adrian Eröd (Graf Luna) sowie Clemens Unterreiner (Ercole Severolus). Homogen hört man den Staatsopernchor.
Die Diskrepanz zwischen dem intimen Rahmen des 1. und 3. Aktes einerseits und dem weitläufigen, weltlichen Gepränge des Konzilaktes wird wunderbar von Christian Thielemann, der mit Krücken erscheint, am Pult des Wiener Staatsopernorchesters gestaltet. Die Verwendung von Kirchentonarten und die Anleihen der frühen Polyphonie, die teils keusche, trotz teilweiser Sprödigkeit hymnische Musik, die den Schöpfungsakt der Messe durch schwelgerische Züge verklärt, wird mit höchster Ausdruckskraft und Sensibilität musiziert.
Kurier-Wertung: 4,5 Sterne
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