Die reduzierte Fassung lässt nichts vermissen. Im Hintergrund verweist eine Projektion auf Salzburg, wo die Oper 1953 bei den Festspielen uraufgeführt wurde. Das Orchester spielt hinter einer dünnen Wand, die sich heben und senken lässt.
Kafka (glänzend Fabian Tobias Huster in stummer Rolle) sitzt in Denkerpose im dunklen Anzug auf der Bühne. Wie eine mystische Gestalt wandelt er ständig durchs Geschehen. Josef K., der aus ungeklärtem Grund Verurteilte, ist im ersten Teil ein Lookalike des Komponisten. Das ergibt Sinn, wenn man weiß, dass von Einem selbst in der Nazi-Zeit von der Gestapo verhört wurde.
Robert Murray zeigt Josef K. wehrhaft, wütend mit wehender weißer Mähne, fuchtelt mit seinen Noten und lässt sich mit Wonne vom Fräulein Bürstner verführen. Er intoniert mit einem starken Hang zum Lyrischen und überzeugt mit seiner Wandlungsfähigkeit, wenn er im zweiten Teil nicht mehr als Gottfried von Einem auftritt, sondern als blasser, scheuer Naivling. Da nimmt dann der Advokat die Gestalt des Komponisten an.
Phänomenal setzt Herheim die Musik präzise Takt für Takt szenisch um. Laszive Exzesse, karikaturhafte Prügelszenen, frivole Revue-artige Tänze befeuern das Vexierspiel zwischen Groteske und Beklemmung.
Die Detailversessenheit dieses Regisseurs gilt auch dem Text. Etwa, wenn er den Gerichtsdiener als Jesus-Figur auftreten lässt und sich Josef K. dann fragt, ob der sein Richter sein wird. Dem glaubt er später im Dom gegenüberzustehen. Doch das ist nur der Gefängniskaplan, der ihm ein schlechtes Ende prophezeit. Zum fulminanten Finale tanzt das Ensemble wie eine geschlossene Phalanx auf. Josef K. flieht von der Bühne.
Alle im Ensemble (Timothy Connor, Leo Mignonneau, Valentino Blasina, Lukas Karzel, Philipp Schöllhorn) verkörpern mehrere Rollen eindrucksvoll. Anne-Fleur Werner zeigt die Frauenfiguren als exzessive Verführerinnen. Die lyrischen Passagen intoniert sie mit ihrem weichen, warmen Sopran betörend und bleibt dabei wie alle stets wortdeutlich. Walter Kobéra hält genuin die Balance zwischen Swing, jazzigen Elementen, dem Dramatischen. Sehr gut disponiert das Klangforum Wien, samt Studierenden. Herzlicher Applaus für alle Beteiligten.
KURIER-Wertung: 4,5 Sterne
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