Wo die bürgerliche Welt ihre Grenzen hat

„Die Soldaten von Salamis“ machten Javier Cercas bekannt
"Outlaws": Javier Cercas Kriminellen-Chronik.

Es war in Girona im Sommer 1978, drei Jahre nach Francos Tod. Seine Gesetze galten noch immer "und im ganzen Land roch es noch so wie unter Franco: nach Kacke."

Ignacio Cañas war ein ordentlicher Bursch aus einer Mittelklasse-Familie. Beamte mit Bungalow und Ferienhaus. Er trug Brille, ging in die Schule, redete daheim nicht zurück. Ganz anders als bei den Migranten, jenseits seines Stadtviertels, die aus dem übrigen Spanien nach Katalonien kamen, und die in sogenannten "Behelfsunterkünften" an der Stadtgrenze wohnten: Sie nannte man "Abschaum" und so sagte man auch zu den "Quinquis", den "Herumtreibern" die, ähnlich den Roma, von den bürgerlichen Spaniern verachtet wurden.

Brillenschlange

Von ihnen ging vermeintlich Gefahr aus und die witterte auch Herr Tomàs, der Besitzer der Spielhalle, in der der schüchterne Ignacio, die "Brillenschlange", die Sommerferien seines sechzehnten Lebensjahres verbrachte, auf der Flucht vor seinen Klassenkameraden, die es auf ihn abgesehen hatten.

Wo die bürgerliche Welt ihre Grenzen hat

Gerade stand er an seinem Lieblingsflipper, einem "Rocky Balboa", da kamen Zarco und Tere herein, wahrscheinlich zwei Quinquis, und Herr Tomàs baute gleich vor: "Ich will hier keine Probleme".

"Outlaws" heißt Javier Cercas Roman über Liebe, Drogen, Kleinkriminalität im Spanien der 80er-Jahre. Über Jugendliche am Rande der Gesellschaft. Im Original "Las Leyes de la frontera", das Gesetz der Grenze und tatsächlich geht es hier um Grenzüberschreitungen.

Der schüchterne Ignacio wird jenseits des Flusses, nur wenige Hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt, eine fremde Welt entdecken: Angezogen von Drogen, der Liebe zur geheimnisvollen, schönen Teres und der jugendlichen Sehnsucht nach Delinquententum. Fasziniert von dieser Welt der Gesetzlosigkeit, die er mit einem romantischen Robin-Hood-Dasein verwechselt– obwohl sämtliches Raubgut in Drogen und Bordellbesuchen versickert.

Nach einem schiefgelaufenen Banküberfall wird Ignacio in sein kleinbürgerliches Zuhause zurückkehren. Das es für Zarco nie gegeben hat.

Schwerverbrecher

20 Jahre später werden sie einander vor Gericht wiedertreffen: Ignacio als Strafverteidiger, Zarco als berühmtester Verbrecher Spaniens.

Javier Cercas, 52, erzählt in seinem kühlen, chronikal gehaltenen Erzählstil von persönlichen Schicksalen im Spanien nach der Franco-Diktatur, von den Möglichkeiten Einzelner und den Unmöglichkeiten vieler, Grenzen des sozialen Aufstiegs zu überwinden.

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