Otello-Premiere: Familienaufstellung mit Fremden

John Osborn als "Otello" und Nino Machaidze als "Desdemona"
Rossinis "Otello" im Theater an der Wien ist szenisch und musikalisch der Versuch einer Ehrenrettung.

Wer an "Otello" denkt, dem kommen natürlich Shakespeare und Giuseppe Verdi in den Sinn. Doch auch Gioachino Rossini hat sich im Jahr 1816 des berühmten Eifersuchtsdramas (in sehr freier Form) angenommen. Seine anfangs recht erfolgreiche Oper aber wurde durch Verdis Vertonung von den Spielplänen gefegt.

Umso wichtiger, dass nun das Theater an der Wien diese Rarität wieder zur Diskussion stellt – in nahezu exemplarischer Form. Denn Regisseur Damiano Michieletto gelingt szenisch ein großer, in sich stimmiger Wurf. Michieletto geht es nämlich weniger um das (bei Rossini ohnehin etwas konstruierte) Eifersuchtsdrama. Er setzt in Paolo Fantins geschmackvollem Patrizier-Bühnenbild auf eine Familienaufstellung und auf die Angst einer reichen Gesellschaft vor dem Fremden an sich. Dies ist hier Otello, ein arabischer Geschäftsmann, der in die gar nicht so heile Luxuswelt (schön auch die Kostüme von Carla Teti) durch seine Liebe zu Desdemona eindringen will.

Manipulationen

Doch die alten Firmenbosse – die Jugend wird bei Michieletto zum Opfer alter, verkrusteter Strukturen – haben andere Pläne. Und so nimmt die Tragödie um Macht, Ohnmacht und Manipulation ihren tödlichen Lauf. Michieletto zeigt all das mit viel Liebe zum Detail, bezieht Metaebenen und psychologische Elemente mit ein. Exzellent!

Und die fabelhaften Singschauspieler folgen diesem Konzept bravourös. Tenor John Osborn bewältigt die sehr hoch notierte Partie des Otello virtuos, findet in der zwischen innigen Lyrismen und dramatischen Ausbrüchen perfekt changierenden Nino Machaidze eine anrührende Desdemona auf Augenhöhe. Als braves Söhnchen Rodrigo hat der Tenor Maxim Mironov – in dieser Oper gibt es fast nur Tenöre – viele starke Szenen. Der von Rossini mit wenig vokalen Aufgaben bedachte Jago des Tenors Vladimir Dmitruk agiert wie Gott Loge auf Speed; als hier bösartige Emilia überzeugt Gaia Petrone. Die "alten Herren" sind bei Fulvio Bettini und Nicola Pamio solide aufgehoben; Julian Henao Gonzalez wirkt mit.

Großartig agiert der Arnold Schoenberg Chor; am Pult der meist sicheren Wiener Symphoniker setzt Dirigent Antonello Manacorda auf zügige Tempi und kluge Effekte. So ganz retten kann er das Werk aber auch nicht.

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