Bereits 2007 wurde das Pharma-Unternehmen, das sich im Besitz der amerikanischen Familie Sackler befindet, zu einer Strafe von 600 Millionen Dollar verurteilt. Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, Ärzte und Patienten nicht über das verheerende Sucht- und Missbrauchspotenzial des Medikaments aufgeklärt zu haben. Trotz der Bestrafung wurde das Schmerzmittel weiter heftig beworben, die Gewinne stiegen in exorbitante Höhen.
In der Öffentlichkeit jedoch waren die Sacklers für ihr großzügiges Kultursponsoring bekannt. Lange Zeit sonnten sie sich im Glanz ihres Mäzenatentums. Ganze Flügeln von Museen sind – oder besser: waren – nach der Familie benannt.
Dank der Intervention von Goldin und ihren Mitstreitern und Mitstreiterinnen ist das Sackler-Geld nun weitgehend in Ungnade gefallen.
Kritisches Gewissen
„Sie sind Profiteure und sie haben Blut an ihren Händen“, sagt die Filmemacherin Laura Poitras im KURIER-Gespräch über die Sacklers: „Als ich erfuhr, dass sich Nan Goldin und die Aktivistengruppe P.A.I.N. im Kampf gegen eine Milliardärsfamilie befindet, die für Korruption und den Tod vieler Menschen verantwortlich ist, wurde ich sofort hellhörig.“
Kein Wunder. Laura Poitras ist das kritische Gewissen Amerikas. Ihre Dokumentarfilme legen immer einen Finger in die Wundstellen der US-Demokratie. Sei es der „Kampf gegen Terror“ oder weltweite Überwachungsaffären – für ihre exzellente Doku „Citizenfour“ über Edward Snowden erhielt Poitras sogar den Oscar.
Mit Laura Poitras und Nan Goldin trafen genau die Richtigen aufeinander: Beide tolle Künstlerinnen, beide engagierte Aktivistinnen, beide furchtlos und entschlossen. „All the Beauty and the Bloodshed“ basiert auf „absoluter Zusammenarbeit“, so Poitras: Die Regisseurin begann sich regelmäßig mit Nan Goldin in Brooklyn zu Interview-Gesprächen zu treffen, die „sofort unglaublich emotional wurden.“
Zwar gebe es einige sehr gut recherchierte Artikel über die Opioid-Krise, räumt Poitras ein, „aber ich glaube, mit Kunst kann man noch einmal anders kommunizieren.“
Mit „All the Beauty and the Bloodshed“ gelang ihr das innige Porträt einer Künstlerin, die in unglücklichen Familienverhältnissen aufwuchs und vom Selbstmord ihrer Schwester traumatisiert wurde. Goldin zog nach New York und dokumentierte dort mit ihrer Kamera die queeren Subkulturen der 1970- und 1980er-Jahre. In dieser Zeit entstanden umwerfende Fotos, die Poitras mit Goldins radikaler Lebensbeichte und ihren effektvollen Politstrategien zu einem faszinierenden Porträt verschmolz.
Zugleich aber bildet die Doku auch Laura Poitras’ eigenen politischen Aktivismus ab: „Als Amerikanerin bin ich Bürgerin eines Imperiums, das massiv für Gewalt und Zerstörung verantwortlich ist. Dieser Film ist auch eine Horror-Story über das amerikanische System.“
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