45 Sekunden Redefreiheit: Typologie des Danks

Botschaften zum Oscar.
Die „Acceptance Speeches“ bei der Oscar-Verleihung sind zeitlich begrenzt. Was sich in weniger als einer Minute abspielt.

No Business like Showbusiness - das gilt auch bei den Oscar-Verleihungen. In einer Branche, in der kaum etwas dem Zufall überlassen wird, sind die kurzen Dankesreden eine großartige Bühne für Selbstdarsteller. Die Acceptance Speeches eignen sich bestens, um vor einem Milliardenpublikum Botschaften loszuwerden.

Versuch einer Typologie:

Die Politischen

Seit der Dokumentarfilmer Michael Moore 2003 in seiner Rede lautstark mit der Bush-Regierung und dem Irak-Krieg abrechnete („Shame on you, Mr. Bush!“), wird die Gala zeitverzögert ausgestrahlt – sicher ist sicher. Politische Statements blieben trotzdem ein fixer Teil der Verleihungen: Leonardo DiCaprio warnte 2016 eindrucksvoll vor der Klimaerwärmung, Sean Penn forderte 2009 gleiche Rechte für Schwule und Lesben – kurz, nachdem Kalifornien gegen die Ehe homosexueller Paare gestimmt hatte.

Die Ungestümen

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Actor Adrien Brody arrives at the 2015 Vanity Fair Oscar Party in Beverly Hills, California February 22, 2015. REUTERS/Danny Moloshok (UNITED STATES - Tags:ENTERTAINMENT) (VANITYFAIR-ARRIVALS)
Der 29-jährige Brody konnte sein Glück nicht fassen, als er 2003 zum besten Hauptdarsteller gekürt wurde – also schnappte er sich Laudatorin Halle Berry. „Ich wette, sie haben dir nicht gesagt, dass das im Geschenkkorb ist“, scherzte er nach dem stürmischen Kuss. Unvergessen auch Roberto Benignis ausgelassene Kletterei über die Sitzreihen im Jahr 1999. Cuba Gooding Jr. ließ sich 1996 vom Orchester nicht vertreiben und schrie noch euphorischer ins Mikro – Standing Ovations.

Die Peinlichen

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Zun?§chst will kein Anwalt f??r den homosexuellen Andrew Beckett (Tom Hanks, r.) einen Prozess gegen so renommierte Kollegen f??hren - bis schlie?ülich Joe Miller (Denzel Washington, l.), ein junger, farbiger Kollege, seinen Fall ??bernimmt ...
Sein Film ging in die Geschichte ein, seine Rede auch – aber nicht im Positiven. „Titanic“-Regisseur James Cameron beendete seine Acceptance Speech 1998 selbstverliebt mit dem Film-Zitat „I am the King of the World!“ und riss dazu beide Arme in die Höhe. Ein Imageschaden war die Folge. Tom Hanks meinte es gut, als er sich nach der Auszeichnung für seine Rolle im AIDS-Drama „Philadelphia“ bei seinem schwulen High-School-Lehrer bedankte. Einziges Problem: Dieser hatte sich bis dato nicht in der Öffentlichkeit geoutet.

Die Skandalösen

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Angelina Jolie gives her acceptance speech after winning the Oscar for Best Supporting Actress at the 72nd Annual Academy Awards in Los Angeles, California in this March 26, 2000 file photo. Jolie won for her role in the movie "Girl, Interrupted". REUTERS/Gary Hershorn/Files (UNITED STATES - Tags: ENTERTAINMENT)
Vor ihrer Wandlung zur Vorzeigemutter liebte Jolie die Provokation. Als sie sich 2000 ihre Trophäe für „Durchgeknallt“ abholte, sagte sie: „Ich bin gerade total in meinen Bruder verliebt. Er hat mich vorhin umarmt und mir gesagt, wie sehr er mich liebt.“ Zuvor hatten sich die Geschwister auf dem roten Teppich geküsst. Marlon Brando schockierte 1973, indem er die Verleihung boykottierte und stattdessen die Aktivistin Sacheen Littlefeather in Apachenkleidung entsandte.

Die Gerührten

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Lupita Nyong'o, best supporting actress winner for her role in "12 Years a Slave", reacts on stage at the 86th Academy Awards in Hollywood, California March 2, 2014. REUTERS/Lucy Nicholson (UNITED STATES - Tags: ENTERTAINMENT TPX IMAGES OF THE DAY) (OSCARS-SHOW)
Für ihre Darstellung in „Shakespeare in Love“ holte sich Gwyneth Paltrow 1999 den Oscar als beste Hauptdarstellerin ab. Die Rede wurde legendär. Paltrow schluchzte vom Anfang bis zum Ende und bedankte sich bei jedem einzelnen Familienmitglied, inklusive ihrem verstorbenen Opa Buster. Auch Halle Berry (2002) und Lupita Nyong’o (2014) konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Berry, erste schwarze Oscar-Gewinnerin, widmete ihren Award „allen namenlosen, gesichtslosen farbigen Frauen“.

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