Opernsänger Adrian Eröd: "In der Spirale der Oberflächlichkeit"

Olga Bezsmertna als "Melisande" und Adrian Eröd als "Pelleas"
Der österreichische Bariton von Weltformat singt ab heute, Sonntag, den Pelléas im Haus am Ring.

Eigentlich war das alles gar nicht so geplant, und Adrian Eröd hätte sich einen gemütlichen Abend mit seiner Familie machen können. Denn ursprünglich hätte ein Kollege den Pelléas in Claude Debussys "Pelléas et Mélisande" singen sollen. Dieser jedoch sagte im Vorfeld seine Mitwirkung an der heutigen Staatsopernpremiere ab; und Eröd sprang für ihn ein.

Also muss der österreichische Bariton nun in Debussys symbolistischen Dreiecksdrama den finalen Bühnentod sterben und freut sich auf seine Aufgabe. "Ich wäre nicht eingesprungen, hätte ich diese Partie nicht zuvor schon in Linz und in Hamburg gesungen. Denn, den Pelléas zu lernen, ist nicht so leicht. Aber wenn ich eine Rolle einmal gesungen habe, kann ich sie meist recht schnell wieder abrufen. Das war auch bei Pelléas so."

Gretchenfrage

Stichwort Pelléas: Diese Rolle lässt sich bekanntlich entweder mit einem Tenor oder mit Bariton besetzen; am Ring hat man sich für die Bariton-Version entschieden. Eröd: "Nicht nur weil ich in dieser Stimmlage singe, finde ich, dass es eindeutig eine Bariton-Partie ist. Auch mein Kollege Simon Keenlyside, der meinen Bruder und Gegenspieler in Liebesdingen, Golaud, singt, ist dieser Auffassung. Aber eigentlich ist der Pelléas für einen Tenor zu tief notiert und für einen Bariton zu hoch." Schmunzelnd: "Ich habe also Glück, dass ich doch über einen recht hohen Bariton verfüge."

Doch wie sieht Eröd diese Geschichte rund um die Brüder Golaud und Pelléas, die sich beide zur geheimnisvollen Mélisande hingezogen fühlen? "Oberflächlich betrachtet ist das Ganze eine klassische Dreiecksgeschichte, an deren Ende Golaud Pelléas aus Eifersucht tötet und auch Mélisande stirbt. Aber Debussy und sein Librettist Maurice Maeterlinck haben da natürlich noch ganz viele Sub-oder Metaebenen eingezogen, die man hören und erleben kann. Dieses Werk hat etwas Faszinierend- Geheimnisvolles."

Glücksgefühl

Kein Geheimnis ist hingegen, dass sich Adrian Eröd seit kurzem offiziell Kammersänger nennen darf. Eröd lachend: "Irgendwie muss ich mich erst daran gewöhnen, dass ich von manchen Menschen so angesprochen werde. Aber es freut mich natürlich sehr. Vor allem, wenn ich dann so vor der Garderobentür stehe und da steht dann ,Kammersänger Adrian Eröd’ an der Tür – das ist schon ein besonderes Glücksgefühl." Nachsatz: "Immerhin ist die Staatsoper, auch wenn ich offiziell nicht mehr im Ensemble bin, meine künstlerische Heimat."

Seit 2003 ist der 1970 in Wien geborene Künstler der Staatsoper eng verbunden. Doch hat sich seit Eröds Anfängen als Sänger die Musikwelt verändert? "Lachend: "Na, zuerst bin ich einmal älter geworden. Aber im Ernst: Wir leben in der Musikbranche heute in einer Spirale der Oberflächlichkeit, die mir Sorgen bereitet. Damit meine ich: Wenn heute irgendwelche Sänger von ihren Managern gehypt werden, glauben viele: Der oder die muss ja auch gut sein."

Eröd weiter: "Es geht im Augenblick generell mehr um die Verpackung, als um den Inhalt. Dieser Virus hat auch die Opernwelt erfasst. Fassade zählt oft mehr als Tiefgang, auf und hinter der Bühne. Ich halte das für ein gefährliches Phänomen. Wenn Marketing die Kunst diktiert, geht sehr viel an Glaubwürdigkeit verloren. Da müssen wir alle aufpassen."

Dass Eröds selbst auf seine Stimme stets gut aufpasst, ist bekannt. Kommen dennoch neue, vielleicht sogar schwerere Rollen? "Faninal im ,Rosenkavalier’, die Titelpartie in ,Eugen Onegin’ oder auch de3n Kurwenal in Wagners ,Tristan’ würde ich mir schon sehr wünschen."

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