ÖVP-Kultursprecherin Großbauer: „Wer Musik macht, hat die besseren Noten"
Manch einer wunderte sich im März 2016, als Dominique Meyer, Direktor der Wiener Staatsoper, Maria Großbauer als Organisatorin des Opernballs vorstellte. Mit ein Grund könnte gewesen sein, dass die niederösterreichische Werbetexterin, geboren 1980 und in Ternitz aufgewachsen, über beste Kontakte verfügte. Immerhin war ihr Mann, der Geiger Andreas Großbauer, von 2014 bis 2017 Vorstand der Wiener Philharmoniker.
Über ihren Vater Karl Jeitler, einen Posaunisten der Philharmoniker, war Großbauer schon frühzeitig mit Musik in Berührung gekommen: Sie lernte zunächst Block- und Querflöte, später Klavier und Jazz-Saxofon. Und fast so legendär wie das „Geilomobil“ von Sebastian Kurz sind die Auftritte mit ihrer Band, dem „Maria Jeitler Funk Project“.
Der KURIER traf Großbauer für seine Interviewreihe mit den Kultursprecherinnen der Parlamentsparteien.
KURIER: Vor etwas mehr als zwei Jahren hat Kurz Sie in sein Team geholt und zur Kultursprecherin der ÖVP gemacht. Ist der Job so, wie Sie es sich gedacht haben?
Maria Großbauer: Ich hatte keine genauen Vorstellungen von der Arbeit im Parlament; man braucht schon ein Zeitl, um hineinzukommen. Und es ist anders, als man es sich vielleicht vorstellt. Aber ich mache es wahnsinnig gerne.
Gernot Blümel wurde dann Kulturminister, Sie durften in Presseaussendungen seine Arbeit loben – und berühmten Künstlern nachrufen.
Und noch vieles mehr! Ich durfte zum Beispiel den Kulturteil im Regierungsprogramm mitverhandeln. Da war mir ein Kapitel ganz wichtig: Kinder und Jugendliche für Kunst und Kultur zu begeistern. Ich habe daher im ÖVP-Parlamentsklub eine Fachkonferenz abgehalten – mit mehr als 70 Expertinnen und Experten aus ganz Österreich. Das Hauptproblem ist, dass in der Schule immer weniger Musik gemacht wird, dass dort generell immer weniger Kultur stattfindet.
Elisabeth Gehrer war viele Jahre lang, von 1995 bis 2007, ÖVP-Unterrichtsministerin. Trotzdem hat sich die Situation rund um die musische Erziehung nicht gebessert, sondern verschlechtert.
Damals gab es im Bildungsministerium zumindest noch eine Stabsstelle für Musik. Die sehr engagierte Leiterin ging vor etwa zehn Jahren in Pension; der Posten wurde leider nicht nachbesetzt. Ich bemühe mich nun sehr intensiv. Die Frage ist nicht nur, wer die Kulturschaffenden von morgen sind, sondern wer das Publikum von morgen ist: Wer setzt sich nicht nur vors Handy, sondern auch in einen Konzertsaal? Wer geht auch ins Museum? Wenn wir nicht aufpassen, sind wir in zwei Generationen keine Kulturnation mehr. Eine groß angelegte Studie mit 112.000 Schülern kam zum Ergebnis: Wer ein Instrument lernt, lernt auch in den anderen Fächern viel besser. Und: Wer Musik macht, hat die besseren Noten. Das gilt für alle Schüler – aus allen sozialen Schichten und mit verschiedenen Hintergründen. Im Zeitalter der Digitalisierung stellt sich zudem die Frage: Was wird in Zukunft das Asset von uns Menschen sein? Die Kreativität!
Blümel scheint die Freude an der Kultur verloren zu haben. Er gibt keine Interviews, bestreitet keine Podiumsdiskussionen. Werden Sie die neue Kulturministerin? Oder lieber Bildungsministerin?
Kultur und Bildung müssen Hand in Hand gehen. Aber zu Ihrer Frage: Zunächst sind die Wählerinnen und Wähler am Wort. Natürlich hoffen wir sehr, weiterarbeiten zu dürfen. Gernot Blümel hat zum Beispiel den Kulturdialog zwischen dem Bund und den Bundesländern institutionalisiert. Denn Kunst und Kultur kann nicht nur in Wien stattfinden, es muss auch Angebote im ländlichen Raum geben. Das wollen wir fördern und stärken.
Haben Sie auch neue Vorschläge anzubieten?
Wir haben ja erst vor zwei Jahren ein Wahlprogramm erarbeitet. Das ist nicht veraltet! Im letzten Regierungsprogramm stand zum Beispiel, dass wir uns das Modell einer Kulturstiftung anschauen wollen. Leider waren die eineinhalb Jahre zu kurz, um sagen zu können: Das ist es jetzt! Hier müssen wir weitermachen.
Blümel wollte einen Generalsekretär für die Bundesmuseen. Wenn die ÖVP in der Regierung bleibt…?
Das war unser Plan – und wäre weiterhin unser Plan. Wir wollen den Museen ermöglichen, die Arbeit im wissenschaftlichen Bereich zu intensivieren.
Haus der Geschichte: Neubau oder nicht? Der Expertenbericht liegt bereits vor.
Wurde aber noch nicht veröffentlicht. Ich kann nur sagen: Die jetzige Situation in der Neuen Burg ist nicht zufriedenstellend. Wir wollen, dass das Haus der Geschichte eine eigenständige Institution wird, organisatorisch angebunden an das Parlament.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist ein begeisterter Historiker. Glauben Sie wirklich, dass er sich nicht einmischen wird?
Er ist ein Nationalratspräsident, wie man ihn sich nur wünschen kann! Weil er sich wahnsinnig stark für Kunst und Kultur einsetzt! Und im Parlament sind alle Fraktionen vertreten. Insofern ist das eine gute und langfristige Lösung.
Sie sind dagegen, die Mittel für den Künstlersozialversicherungsfonds anzuheben?
Die soziale Lage der Künstlerschaft ist ein ernstes Thema, dessen man sich annehmen muss. Aber der Fonds wird derzeit nicht restlos ausgeschöpft.
Aufgrund von Zugangsbeschränkungen.
Aber es wissen auch nicht alle Künstler, dass es den Fonds gibt. Also zuerst alle informieren, dann alle Fakten auf den Tisch legen – und nicht gleich aus der Hüfte schießen. Die Zugangsbeschränkungen wurden bereits gelockert. Natürlich: Verbessern kann man immer etwas!
Wie beurteilen Sie den Direktionswechsel an der Staatsoper? Bogdan Roščić sorgt für Unruhe, weil er u.a. Teodor Currentzis holen möchte – samt dessen Orchester.
Bogdan Roščić ist ein hochprofessioneller Manager. Er hat zum Beispiel eine Sängerakademie gegründet. Aber es wäre gut zu wissen, wie es genau weitergeht.
Die Philharmoniker sind weiterhin ein von Männern dominierter Verein. Was sagen Sie als Ehefrau dazu?
Ich bin nicht deren Anwältin. Es gibt bei den Philharmonikern so gut wie keine Fluktuation. Mein Vater war 38 Jahre bei den Philharmonikern, Rainer Küchl sogar 45 Jahre. Daher können Positionen nur sehr selten neu besetzt werden. Seit 25 Jahren nehmen die Philharmoniker Frauen auf – sicher viel zu spät. Aber es gibt nun einige Geigerinnen, Flötistinnen, eine großartige Fagottistin …
Aber keine Saxofonistin.
Kann es auch gar nicht geben. Denn es gibt keine Stelle für Saxofon. Wenn Ravel gespielt wird, holt man sich jemanden von außen. Und wenn Sie auf mich angespielt haben sollten: Ich habe schon lange nicht mehr Saxofon gespielt. Das geht sich derzeit nicht aus. Ich bin ja auch Mutter. Aber irgendwann wird’s mich schon wieder jucken.
Kommentare