"Noch keiner hat sich erlaubt, über muslimische Fanatiker Witze zu machen"

William Lebghil (li.) als Mahmoud in "Voll verschleiert"
Sou Abadi, französische Filmemacherin mit iranischen Wurzeln, drehte eine Burka-Komödie.

Die Filmemacherin Sou Abadi, geboren im Iran und seit ihrem 15. Lebensjahr wohnhaft in Paris, hat eine Komödie über Vorurteile gegen Muslime und Radikalisierung geschrieben. In ihrer Burka-Klamotte "Voll verschleiert" (derzeit im Kino) versteckt sich ein junger Franzose unter dem Ganzkörperschleier, um seine Freundin zu treffen. Die steht unter der Fuchtel ihres radikal-islamischen Bruder – der sich prompt in die "Freundin" seiner Schwester verliebt.

KURIER: Ein junger Franzose versteckt sich unter einer Burka, um heimlich seine Freundin besuchen zu können. Ist diese Idee aus dem Leben gegriffen?

Sou Abadi: Ja. Ich habe selbst lange Zeit in einem Verein gearbeitet, der sich um Asylwerber gekümmert hat. Afghanische Flüchtlinge haben mir erzählt, dass sie sich unter einer Burka versteckten, um ihre Freundinnen zu treffen. Manchmal haben sich auch Musiker als Frauen verkleidet und Instrumente unter ihrem Schleier versteckt. Auch als Banisadr, der erste Präsident der iranischen Republik, 1981 in Konflikt mit Chomeini geriet, hat er sich als Frau verkleidet und ist verschleiert nach Paris geflüchtet, wo er heute noch lebt.

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"Noch keiner hat sich erlaubt, über muslimische Fanatiker Witze zu machen"
Interview Sou Abadi. Voll verschleiert

Ich liebe Billy Wilders "Manche mögen’s heiß" und wollte so eine Art von Film machen. Aber ich konnte wohl kaum eine Marilyn Monroe unterm Schleier verstecken, deshalb musste es ein Mann sein, der hinter der Burka verschwand. Abgesehen davon gibt es viele Filme, wo man sich über christliche oder jüdische Fanatiker lustig macht, aber eigentlich hat sich noch keiner erlaubt, über muslimische Fanatiker Witze zu machen (abgesehen etwa von der brillanten britischen Satire "Four Lions", Anm.). Ich dachte, es wäre an der Zeit.

Aus Frankreich kommen Stapel an Culture-Clash-Komödien wie "Monsieur Claude und seine Töchter" oder "Hereinspaziert!"

Ich möchte aber auf keinen Fall, dass "Voll verschleiert" in die Nähe dieser Filme gerückt wird, denn ich halte sie für absolut rassistisch. Ich habe größten Wert darauf gelegt, kein einziges kulturelles Klischee zu verwenden und meine Figuren mit sehr viel Respekt zu betrachten – auch die "Bösen". Es gibt in meinem Film keine Anzeichen der Verachtung – niemanden gegenüber. Mein Film ist meiner Meinung nach ein Film, der vereint und nicht trennt.

Wie erklären Sie sich die großen Erfolge dieser Komödien? Liegt es an den Stereotypen, die verwendet werden?

Das kann ich wirklich nicht sagen. Derzeit wird gerade wieder ein Film gemacht, in dem ein Rabbi, ein Priester und ein Imam eine Rockband gründen. Vielleicht haben die Leute einfach nur Lust, zu lachen und Spannungen abzubauen. Aber meiner Ansicht nach bleiben diese Komödien sehr an der Oberfläche. Natürlich geht es im Kino um das Vergnügen, aber ein bisschen Reflexion sollte auch dabei sein.

Der Bursche unter der Burka wird von Mitfahrern im Bus belehrt, er möge sich vom Schleier befreien. Wie wird das Schleierverbot in Frankreich gehandhabt?

Dieses Gesetz existiert, wird aber nicht wirklich exekutiert. Kein Polizist wird eine Frau mit Burka bestrafen, denn letztlich hat die Polizei andere Sorgen. Die Sicherheitsfrage hat heute in Frankreich oberste Prorität, insofern bin ich dafür, dass das Schleierverbot besteht. Gleichzeitig handelt es sich wahrscheinlich nur um ein paar hundert Menschen, auf die es zutrifft und insofern kann man sich schon fragen, ob die ganze Aufregung darum überhaupt dafür steht. Vielleicht sollte man nicht einfach nur verbieten, sondern tiefer gehende Debatten führen. Ich frage mich schon, was passiert ist, wenn heute eine junge Frau, die in Frankreich geboren wurde, mit 20 plötzlich zum Schleier greift. Warum ist Frankreich das Land in Europa, wo eigentlich das größte Kontingent an jungen Leuten besteht, die bereit sind als Jihadisten zu kämpfen? Es geht darum, Dinge, die in der Gesellschaft falsch gelaufen sind, richtig zu stellen und Lösungen dafür zu finden.

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