Neues Kreativlabor in Litschau: Unabhängig – nicht nur im Moment
In der Regel werden überkommene Monumente des Industriezeitalters – Bahnhöfe, Zechen, Remisen, Fabrikshallen usw. – als Kulturzentren, Theaterhäuser und Ausstellungsforen genutzt. Auch Stallungen eignen sich her- vorragend, wie das Wiener Museumsquartier beweist.
Zeno Stanek hat sich nun an eine ähnliche Transformation gewagt – allerdings mit einer Sportstätte, konkret mit einer in die Jahre gekommenen, kaum mehr genutzten Tennishalle. Aus ihr wurde in den letzten eineinhalb Jahren das Moment, ein Kreativlabor für die dramatische Kunst. Es wurde am Wochenende eröffnet – u. a. mit einem Konzert von Ernst Molden, der zusammen mit Schlagwerkerin Maria Petrova und den Neuen Wiener Concert Schrammeln Willi Resetarits gedachten.
Schrammel und mehr
Im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte machte Zeno Stanek, eigentlich Regisseur und Verleger von Theaterliteratur, aus Litschau im nördlichsten Waldviertel einen kulturellen Hotspot: Zunächst etablierte er das Schrammel.Klang.Festival, das heuer (an den beiden Wochenenden zwischen 8. und 17. Juli) zum 16. Mal stattfindet. Denn in dem verwunschenen Städtchen nahe Heidenreichstein, wo Ex-Kunstminister Rudolf Scholten „Literatur im Nebel“ präsentiert, wurde der Vater der Schrammel-Brüder geboren.
Aufgrund des Erfolgs brauchte es alsbald einen wetterfesten, flexibel nutzbaren Konzertsaal – und so ließ Zeno Stanek im Gelände des Strandbades aus Holz das Herrenseetheater errichten. 2018 folgte das Theaterfestival „Hin & weg“, das nicht nur Bühnen in Buchten und im Wald, sondern auch diverse Leerstände bespielt (heuer unter dem Motto „Vorfahren!“ von 12. bis 21. August).
Dann wollten die Betreiber des Feriendorfes Königsleitn, einer weitläufigen Anlage oberhalb des Sees mit Appartementhäusern im ländlichen Stil, in Pension gehen. Ein Nachfolger ließ sich nicht finden. Ohne Übernachtungsmöglichkeiten aber funktionieren die Festivals nicht wirklich. Stanek musste notgedrungen Hotelier werden. Und seine Idee, die Kulturangebote mit Workshops, Seminaren, Kursen (von Impro- und Figurentheater bis zur Zirkusartistik) über das gesamte Jahr zu erstrecken, also aus dem Ferien- ein „Theaterdorf“ zu machen, gefiel dem Investor Günter Kerbler: Er stieg als Eigentümer ein.
Fantasiedachboden
Herzstück ist das energieautarke Veranstaltungshaus Moment: Von der ehemaligen Tennishalle blieb nur mehr das Stahlbetongerippe übrig, man baute u. a. einen Veranstaltungssaal für 500 bis 800 Besucher ein, der sich dank flexibler, schalldichter Wände in kleinere Einheiten unterteilen lässt. Das Moment eignet sich daher auch als Film- und Fotostudio. Und unter dem neuen Dach mit einer 1.400m2 großen Fotovoltaikanlage richtete Stanek einen „Fantasiedachboden“ ein: einen riesigen Kostüm- und Requisitenfundus mit gut 10.000 Kleidungsstücken, die er unter anderem bei den Bundestheatern in Bausch und Bogen um fünf Euro pro Kilogramm erwarb. Ein kleines Paradies – nicht nur für Kids, die sich nach Herzenslust verkleiden können.
Die Kosten betrugen rund 4,5 Millionen Euro. Aufgrund der vielen nachhaltigen Maßnahmen – man nutzt die Erdwärme – konnten Förderungen in der Höhe von zwei Millionen Euro lukriert werden.
Die Eröffnung des Moments am Wochenende war für Zeno Stanek ein „berührender Moment“. Wohl auch deshalb, weil die lokale Bevölkerung nicht nur eingebunden ist, sondern auch begeistert mitmacht. Die Musikkapelle spielte auf, der Gesangsverein beteiligte sich an einer coolen Impro-Loop-Aktion. Und weil die wahren Abenteuer im Kopf sind, zündeten Helmut Schuster (Improvista-Social-Club) und seine Mitstreiterin ein wahres Feuerwerk – nur mit der Stimme, mit Zischen und Knallen.
Kommentare