Neuer "Tatort" aus Österreich: Der Stallgeruch des Todes
Das Wiener Schnitzerl (vom Schwein), das bei Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, das nächste Mal am Teller landet, werden Sie nach dem „Tatort“ (Sonntag um 20.15 Uhr in ORF2) wohl mit anderen Augen sehen. Das liegt vor allem an den ersten Minuten von „Bauernsterben“, so heißt der neue Fall aus Österreich, die einem den Appetit (auf Fleisch) verderben: In einem Saustall in Niederösterreich wird eine Leiche entdeckt, die bereits von einigen Schweinen bearbeitet, also angefressen wurde. Der halbe Fuß und Teile des Kopfes fehlen. „Wenn man die ersten fünf Minuten übersteht, ist man hart im Nehmen“, sagt Adele Neuhauser im Gespräch.
Das Mordopfer ist der Chef eines Schweinemastbetriebes. Dass er von den Schweinen getötet wurde, kann der Gerichtsmediziner (Günter Franzmeier) zwar schnell ausschließen, trotzdem ordnet er die Notschlachtung der Viecher an, denn er will sich jeden einzelnen Saumagen genauer ansehen. Vielleicht haben die Schweine ja auch Beweismittel gefressen.
Nebenrolle
Den makabren Ausgangspunkt verwandelt Regisseurin Sabine Derflinger nach und nach in einen unaufgeregten Krimi, der eher als „Am Schauplatz“-Reportage daherkommt. Denn die Suche nach dem Mörder, die Mörderin spielt eine Nebenrolle. Das liegt daran, dass in der Geschichte von Drehbuchautor Lukas Sturm (zu) viel zusammenkommt: Es geht um unser Essverhalten, unseren Hunger auf Fleisch; um industrielle Landwirtschaft, (radikale) Tierschützer, Tierfutter-Großkonzerne und EU-Fördergeldermissbrauch. Das alles in 90 Minuten zu packen, ist ambitioniert – geht sich nur leider nicht aus.
Für Adele Neuhauser waren die Dreharbeiten in einem Schweinemastbetrieb (gedreht wurde unter hohen hygienischen Auflagen auf einem Bauernhof in Poysdorf) vor allem eine olfaktorische Herausforderung: „Ich war überrascht, wie intensiv der Stallgeruch ist. Ich dachte, ich bekomme keine Luft mehr. Das sind Gase, die hält man nicht lange aus. Ich war aber auch positiv überrascht, wie sauber und organisiert die Arbeit in einem Stall mit über 1.000 Schweinen abläuft. Ich habe mir das ehrlich gesagt schlimmer vorgestellt“, so die Schauspielerin.
Für Krassnitzer ist das Thema Massentierhaltung längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen: „Es vergeht kaum ein Tag, wo wir nicht mit den Schattenseiten unseres enormen Fleischkonsums und der nicht artgerechten Tierhaltung konfrontiert werden. Bei dieser Geschichte war es uns wichtig, dass wir nicht selbst zu Aktivisten werden, eine ganze Berufsgruppe pauschal verurteilen. Denn der Großteil der Bauern in diesem Land versucht, täglich anständige Arbeit zu leisten“, sagt der Schauspieler.
Neuhauser glaubt, dass das Bewusstsein für nachhaltige Landwirtschaft immer stärker wird. Da habe sich schon viel zum Besseren geändert. „Vielleicht können wir mit diesem Fall auch einige Menschen zum Nachdenken anregen.“
Vermisst
Dieser „Tatort“ will aber nicht polarisieren, bezieht auch keine Stellung: „Das Urteil überlassen wir dem Zuseher“, sagt Neuhauser diplomatisch. Unter dieser Diplomatie leidet aber auch der Fall. „Bauernsterben“ ist selten spannend und überschaubar witzig. Die bissigen Kommentare, das sympathische Herumgranteln, die Selbstzweifel, für die man Bibi Fellner und Moritz Eisner seit Jahren schätzt, vermisst man schmerzlich.
„Bauernsterben": Harald Krassnitzer (in seinem 56. Fall) und Adele Neuhauser (in ihrem 32. Fall) ermitteln am Sonntag, um 20.15 Uhr in ORF2 im neuen „Tatort“ mit dem Titel „Bauernsterben“. Neben dem Ermittlerduo agieren noch Hubert Kramar, Christina Scherrer und Günter Franzmeier sowie Martin Leutgeb, Julia Wozek, Marko Kerezovic, Haymon Maria Buttinger, Claudia Martini, Doris Hindinger und Karin Lischka vor der Kamera. Gedreht wurde im Herbst 2022 in Wien und Niederösterreich (etwa in Poysdorf).
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